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5. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

Als Kind  hatte ich schon viel Verantwortung und Aufgaben und trotzdem eine schöne Kindheit, an die ich sehr gerne zurückdenke. Meinen Eltern bin ich dankbar,  dass wir bei allem eingebunden waren und auch entscheiden konnten.

„Kinderarbeit“
„Bis heut wäs iich nouch jeden Baam dowe die Trää den iich als Buä gestriechee hän, bei manche wääs ich sogor wos iich bezaat hän, bi de Baawer de Miestwööche aufgelode hön, hine und voun e Dummtürle, den Miest mit de Miestplödschere  geklopft hömm dos jo näss ro feelt, bi se die Küh eigespannt hömm, den Miesthouke un die Miestgowu ouwe drauf un auf de Äcker geforn sänn.

Bi me als Kinn naus de Häällebeer gange sänn, nü en Frärütherwaald, naus en Panzroose nauf en Ruhwaag un es Roatkreuz un die Aurora, über die Lietlöcher un die Ziegelei semme dann hääm gange.

Biemme nouch Froo gemocht hömm, die Baawer höm die Stoj geforn, om meiste die Geulsbaawer. Bar koj Foohrzeug gehoot hott, hott die Stoj geklopft. Sou sään die Ströß gemocht woan.“

(Bis heute weiß ich noch jeden Baum oben am Trieb, den ich als Bub ersteigert habe, von manchen weiß ich sogar, was ich bezahlt habe, weiß,  wie die Bauern die Mistwägen aufgeladen haben, hinten und vorne ein Dungbrett, wie sie den Mist mit der Mistpatsche geklopft haben, dass nur nichts herunterfällt, wie sie die Kühe eingespannt haben  und mit  Misthaken und  Mistgabel obendrauf auf die Äcker gefahren sind. Ich weiß,  wie wir als Kinder zum Heidelbeerpflücken gegangen sind, hinüber in den Frauenröther Wald, .....  und über... die Ziegelei sind wir dann heimgegangen. Wie wir noch Frondienst gemacht haben: Die Bauern haben Steine gefahren, meistens die, die Pferde hatten. Wer kein Fahrzeug hatte, hat die Steine geklopft. So wurden die Straßen gemacht.)

Jetzt, nach dem Ende des Krieges, begann erst der Kampf ums Überleben. Es gab keine Arbeit und kein Geld. Wir hatten ein Schaf oder eine Ziege, das war für uns überlebenswichtig. An jedem Rain oder Graben wurde mit dem „Stumpf“ (Sichel) abgemäht für Futter.

Ich bin als Bub oft im Wald unterwegs gewesen und habe dürre Bäume gesucht. Dann bin ich zum Förster nach Frauenroth oder Premich und habe gesagt:  „Iech hänn e Dürre gefunne, bos kuost se denn?“ (Ich habe einen dürren Baum gefunden, was kostet er denn?“) Das waren dann 50 Pfennig oder eine Mark. Heim getragen haben wir meistens 2 oder 3 „Dürre“.

Reich... - an Einfällen
Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Leute bei uns  in Wollbach und in den anderen Rhöndörfern soviel wie nichts, und vor allem die Männer keine Arbeit. Aber alle hatten den Willen zu überleben,  jeder nach seinen Möglichkeiten.

Viele haben also Besen gemacht aus Birkenzweigen „Baasereisig“. Das Schneiden war zwar verboten,  aber jeder hat es getan. Ich musste oft schauen,  wo der Förster ist, damit mein Vater und mein Bruder an einer anderen Stelle schneiden konnten. Unser Vater hat die schönsten Besen gemacht und er konnte sie immer gleich und gut verkaufen.

Wir Buben haben die Reisigstiele schön weiß geschabt. Dann kam das Binden. Dies konnte man mit Weidenruten, Draht oder eben mit „Schiinn“.
Dazu brauchte man den „Schiinnschdegge“, (Stecken, die man schälen konnte) das war ein junger Eichenstamm ca. bis 150 cm lang und 10 bis 12 cm stark. Der wurde nun „gebeärt“(man hat auch Äpfel “gebeärt“).
Das heißt,  der Stecken kam mit Rinde ins Ofenrohr bis er weich war.  Die Rinde wurde abgemacht und mit einem scharfen Messer hat man dann einzelne dünne „Schiinn“ herunter gezogen.

Damit wurden dann die Besen gebunden, die Ringe hatten auch noch für die Optik verschiedene Formen. Heute wäre das Kunsthandwerk.
Auch „Schiinstecken“ zu holen war verboten,  aber viele haben sie in den Wäldern geholt. Besen wurden im Winter gebunden und waren eine sehr wichtige Einnahme, oft die einzige.

Dann kam der  „Praamicher Hawesch“ mit seinem Wagen mit Gummirädern, davor waren 2 Ponnys. Er fuhr durch die Dörfer und hat die Besen aufgekauft (im Sommer die Heidelbeeren). Verkauft hat er sie dann in den Städten Kissingen, Neustadt, Schweinfurt, Würzburg usw., sogar nach Frankfurt.

Überlebensstrategien
Wenn der Förster im Wald hat Holz schlagen lassen, lagen Äste und die Zweige herum. Dieser Platz wurde dann in „Moass“ (Maß, bestimmte Fläche) aufgeteilt und versteigert. So eine „Reisigmoass“ war sehr begehrt, da man sie billig ersteigern und einiges an Holz herausholen konnte.

Im Winter machte unser Vater Reisigbesen oder von Militärdecken (diese haben wir in Wildflecken aus dem Lager geholt) Hausschuhe. Wir Kinder halfen bei diesen Arbeiten soweit wir konnten. Die „Göllers“ machten von Flugzeugreifen,  die sie von irgendwo aufgetrieben hatten,  Vollgummibälle und Sandalen, dafür tauschten sie Lebensmittel ein. Andere machten Holzschuhe; jeder halt das, was er am besten konnte. Im Sommer wurden Heidelbeeren und Pilze gesammelt, im Herbst Bucheckern. Außerdem sammelten wir Kinder Altpapier und jede Art von Altmetall, das haben wir dem „Apton“ verkauft. 
In dieser Zeit hielten die Menschen zusammen, die Gier und der Neid kamen erst sehr viel später mit dem Wohlstand wieder.

Wenn ein Bauer geschlachtet hatte,  haben die Leute „Kreelsuppe“ (Kesselsuppe) geholt, manchmal bekam man sogar ein „Laawerwürschtle nei“ (ein Leberwürstchen hinein). An den Backöfen im Dorf haben die Bauern Brot und „Plootz“ (Blechkuchen) gebacken. Wir Kinder bekamen dabei öfter mal ein Stück ab.

Zigarettenwährung
Die erste Arbeit,  die mein Vater bekam,  war bei der Firma Fell und Straub in Bad Kissingen. Die hatten einen Handel mit Tabakwaren und Zigaretten. Der Straub war von Wollbach und mein Vater und Straubs Neffe der „Spies Oskar“ richteten deren Haus und Garten. Ihren Lohn bekamen sie in Zigaretten. Das war besser als Geld. Die Bauern haben uns alles zum Tausch ins Haus gebracht, Fleisch, Butter, Milch, Mehl und Brot. Die Zigaretten- Sorten waren „Hugo“ in einer gelben Packung und „Serena“ in einer grünen Packung. Die Leute haben immer gesagt,  die Serena schmecken wie Seegras, geraucht wurden sie trotzdem. Sehr begehrt waren die Ami Zigaretten wie „Luky Strike“ oder „PallMall“ und Tabak zum selber Drehen oder für die „Gipps“ und Pfeifen.

„Wanderarbeiter“
Vor dem Krieg haben die Männer in Schweinfurt bei Fichtel & Sachs oder Kugelfischer oder in Neustadt bei Siemens gearbeitet. Diese Fabriken waren aber alle zerstört und wurden  nun langsam wieder aufgebaut. Nur wenige konnten dort wieder Arbeit finden.

Als es dann besser mit der Arbeit wurde sind die Leute nach Frankfurt zum Arbeiten gegangen. Im Frühjahr sind sie von zu Hause weg und haben  in den Ziegeleien und bei den Bauern gearbeitet. Mein Vater war dann immer im Herbst Dreschmaschinenführer. Oder sie haben am Bau gearbeitet. Vor dem Winter sind sie zurückgekommen und haben dann gestempelt. Gestempelt wurde in Burkardroth, („bai di Leos Rosine“)  Kolonnen von Männern sind  an diesen Stempeltagen durch die Dörfer gezogen. Bis sie am Abend oder in der Nacht nach Hause gekommen sind,  hatten die meisten das Stempelgeld versoffen. Es war eine schlimme Zeit.

Mein älterer Bruder ist wochenlang in den Rhöndörfern herumgezogen,  um eine Lehrstelle zu finden, er hätte jede Art von Arbeit angenommen. Es gab nichts.

Ich selbst habe ab 1955 in Bad Kissingen gearbeitet. Heute denke ich noch oft daran,  wie stolz ich war, als ich meinen ersten Lohn DM 28,- meiner Mutter bringen konnte.

Damit war ich aber keine Ausnahme. Viele Buben und Mädchen aus den Rhöndörfern taten das auch. Unsere Familien waren auf das Geld angewiesen.

Trotz allem waren wir immer voller Hoffnung und Zuversicht, dass es besser wird und so ist es ja dann auch geworden. Nur glaube ich,  man sollte diese Zeit nie vergessen;  denn viele von uns wurden dadurch für ihr Leben geprägt. Ob zum Guten oder Schlechten muss jeder mit sich selbst ausmachen.

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