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Peterchens Mondfahrt Wasserkuppe

1.4. Der Verlust der Verkehrsbedeutung des Ortesweges

Dass der Ortesweg in der Geschichtsschreibung keine weitere Erwähnung mehr fand, bedeutet natürlich nicht, dass die Strecke zwischen Fulda und dem Grabfeld nicht mehr begangen wurde. Noch 897 reiste König Arnulf von Kärnten (887 - 899) von Fulda nach Salz. Welchen genauen Weg er dabei genommen hat, ist leider nicht mehr nachzuvollziehen. Es liegt nahe anzunehmen, dass der Ortesweg seine Bedeutung an eine andere Verbindung abgeben musste. Dies hing sicher mit der Veränderung der Verkehrsgewohnheiten zusammen. Den Grund für den Verlust seiner Bedeutung muss man daher hauptsächlich in der politischen Entwicklung des frühen Mittelalters allgemein und der der Rhön im besonderen suchen.

Bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts konnte durch Bonifatius die Kirche straff organisiert und auf Rom ausgerichtet werden. Kurz danach entstanden zwei "Körperschaften", die das Schicksal unseres Raumes für die folgenden Jahrhunderte beeinflussten: 741/742 das Bistum Würzburg und 744 das Kloster Fulda. Erst gegen Ende des 8. Jh. gründete Karl der Große als weltlichen Schwerpunkt die Pfalz Salz.

Durch den Ausbau des "Fiscus Salz" zur Pfalz, der offenbar 790 abgeschlossen war, wurde ein "repräsentativer Mittelpunkt der Königsherrschaft Karls des Großen" geschaffen, ein neuer Verwaltungsmittelpunkt, von dem aus der ostfränkische Adel stärker zu kontrollieren war und der als Drehscheibe für Karls Bayernpolitik und Awarenkriege sowie die andauernden energischen Bemühungen, die Sachsen zu unterwerfen, diente.

Es fällt auf, dass die frühen urkundlichen Ortsnennungen im Gebiet nordöstlich der Hochrhön alle nördlich einer Linie etwa Oberelsbach - Bad Neustadt liegen und dass die Orte im Brendtal wesentlich spätere Gründungdaten haben.

"Mit der Erschließung der Randgebiete des alten Siedlungslandes nahm der Druck der langsam aber stetig wachsenden Bevölkerung zu und verlagerte sich auf noch nicht erschlossenes, weil nur begrenzt siedlungsfähiges Gelände. Zwar sind die Ortsnamen Unterweißenbrunn, Wegfurt, Frankenheim, Haselbach und Schönau bereits auf karolingische Zeit zurückzuführen, doch werden diese Orte alle erst 1234 urkundlich genannt.

Die späte bzw. geringe Besiedelung des zum Salzforst gehörenden Brendtales lässt den Schluss zu, dass es vor der Jahrtausendwende wohl noch keinen wichtigen Weg über die Hochrhön durch das Tal gegeben hat. Dieser wird - wie in vielen anderen Tälern auch - erst mit der zunehmenden Besiedelung entstanden sein.

Im Gegensatz zur frühen Straßenforschung vertritt die neuere die Auffassung, dass bereits die Karolinger "Straßen" neu bauten bzw. Verbesserungen an den vorgefundenen Wegen vornahmen. Funk differenziert die Entstehung des Straßennetzes in grundsätzlich fünf Entwicklungsperioden :

  • Die vorfränkischen Wege (bis zum 6. Jh. n.Ch.), die auf naturgegebene Höhen (Höhenstraßen) und Furten angewiesen sind. Ihr wichtigstes Kennzeichen: Das Zusammenfallen mit Flurgrenzen auf größeren Strecken.
  • Die fränkischen Straßen (6. - 10. Jh. ) seit der Besiedelung unserer Gegend durch die Franken. Sie werden planmäßig und unabhängig von den vorfränkischen Wegen vom fränkischen Staat und König angelegt. Ihr Kennzeichen: Brücken, Specken (Knüppelwege) Hohlwege und ähnliche Kunstbauten, dazu Verlauf im Tal.
  • Das mittelalterliche Straßennetz (11. - 16. Jh.). Da das Mittelalter fast keine neuen Straßen anlegte, ist dieses Verkehrsnetz keine eigene Schöpfung, sondern stellt nur eine Auswahl bestimmter Straßen aus dem Netz der (fränkischen) Heerstraßen dar, auf die sich der Hauptverkehr konzentriert und verlagert hatte. Kennzeichen: Die landesherrlichen Zollstätten und Geleitsstraßen.
  • Das neuzeitliche Straßennetz (ab dem 17. Jh.). Dieses führte im Prinzip nur das mittelalterliche gewachsene Verkehrsnetz weiter und baute sie mit neuzeitlichen technischen Mitteln aus.
  • Das gegenwärtige Straßennetz

Da die Franken nicht nur die vorgefundenen uralten Wege nutzten, sondern sie auch nach ihren Erfordernissen ausbauten, ist davon auszugehen, dass sie mit der zunehmenden Bedeutung der Pfalz Salz einen günstigeren Weg von Fulda durch die Rhön nach Salz schufen bzw. ausbauten. Es liegt nahe, dass dies die spätere "geleitsfähige Straße" über Gersfeld und Bischofsheim nach Salz war. Allerdings dürfte der Weg zunächst nicht über Gersfeld geführt haben, sondern über die Wasserkuppe. Südlich von ihr zweigte er vom beschriebenen Weg in das Grabfeld ab, um dann westlich am Roten Moor vorbei und über die "Himmeldunke" in das Brendtal zu führen.

Dass der Weg von Bischofsheim nach Salz bereits zu dieser Zeit als reiner Talweg verlief, ist jedoch kaum anzunehmen. Um den sumpfigen Stellen auszuweichen, nahm man z.B. im Kinzigtal noch bis zum neuzeitlichen Straßenbau Steilanstiege hinauf, die die Flussbögen darüber hinaus noch abschnitten und den Weg verkürzten.

Die fränkische Expansion war in Süd-Nord-Richtung angelegt. Östlich und westlich der Rhön bestanden gesicherte Wege, auf denen die Regenten mit ihren Heeren ziehen konnten. Zur Sicherung des Gebietes hatte man Königshöfe und Pfalzen angelegt bzw. vom thüringisch - mainfränkischen Adel übernommen . Östlich der Rhön dürften dies insbesondere Königshofen im Grabfeld, Salz sowie Mellrichstadt gewesen sein. Westlich der Rhön fiel dem Kloster Fulda diese Rolle zu. Die Rhön lag zwischen den bedeutenden Verkehrsachsen

Würzburg - Salz - Mellrichstadt - Erfurt und
Frankfurt - Fulda - Eisenach - Erfurt.

Für die fränkische Politik war der Weg über die Rhön die Verbindung zwischen den wichtigen Stützpunkten Fulda und Salz und noch weiter hinaus über die Haßberge zum bedeutenden karolingischen Handelsplatz Hallstadt bei Bamberg an der Mündung der Baunach in den Main. Wichtig war sicher aber auch, dass das Land an den beiden Hauptachsen unter Kontrolle war. Wahrscheinlich sollte diese Kontrolle durch die Würzburger Bischöfe und die Fuldaer Äbte ausgeübt werden, denn die Kirche war der verlässliche Partner der fränkischen Politik. Beide wurden mit reichen Landschenkungen ausgestattet, die es ermöglichten, diese Aufgabe zu übernehmen. Würzburg hatte die südlich und östlich gelegenen Gebiete zu sichern, Fulda durch die zahlreichen Landschenkungen beiderseits der nördlichen Rhön diese Gebiete.

Machtstreben des Würzburger Kirchenstaates und Geldnot der Fuldaer Äbte führten aber dazu, dass sich im Laufe der Zeit die Einflussgebiete vermischten. Nach dem Verkauf der Güter der Herren von Hildenburg gelangte Würzburg in den Besitz von Hildenburg, Fulda in den Besitz des Amtes Lichtenberg. Damit schob sich Würzburg mit seinem Landbesitz zwischen Fulda und sein Amt Lichtenberg. Als dritte Macht schalteten sich ab Mitte des 14. Jahrhunderts die Landgrafen von Thüringen, danach die Henneberger und als ihre Nachfolger die Herzöge von Sachsen in das Machtpoker ein, die den größten Teil der Hildenburger Güter bis zur Gründung des Landes Thüringen in Besitz behielten.

Diese Dreiteilung, besonders aber die geographische Lage des Amtes Lichtenberg, war fatal für die Verkehrsentwicklung der nordöstlichen Rhön bis ins 19. Jh. Das Amt Lichtenberg saß wie ein Pfropfen inmitten der Verbindungswege aus dem Tullifeld und dem Fuldaer Land in den Saalegau und weiter nach Würzburg bzw. in östliche Richtungen.

In diesem politischen Karussell veränderten sich natürlich auch die uralten Handelsbeziehungen. Die des Grabfeldgaues richteten sich nach Südthüringen und nach Mainfranken. Der bedeutende Handelsverkehr lief östlich und westlich an der Rhön über die Handelsstraße von Nürnberg nach Eisenach und über die Antsanvia ins Rhein-Main-Gebiet. Die einzige wichtige Verbindung mit Verkehrsbedeutung durch die Rhön führte durch die südliche Rhön von Fulda über Hammelburg nach Würzburg. Sie entwickelte sich hauptsächlich wegen der fuldischen Besitzungen im Saaletal und war nur auf dem Abschnitt bis Hammelburg bedeutend.

Zwei andere Routen, allerdings im nördlichen Bereich der Hochrhön, werden im Würzburger Geleitsstraßenverzeichnis von 1596 erwähnt: Die Verbindungen von Hilders nach Fladungen und die von Kaltennordheim nach Fladungen. Allerdings wird bereits bei der Beschreibung der ersten Strecke angemerkt, dass das Geleit auf ihr "rüregsam wenig geschiecht" und die zweite Strecke wurde nach einer würzburgisch-sächsischen Übereinkunft von 1599 für den Fernverkehr gesperrt. Die Verbindungen über die Hohe Rhön hatten demnach in nachkarolingischer Zeit ihre Bedeutung verloren und konnten auch keine nennenswerte Verkehrsbedeutung mehr erwerben. Dies hat letztlich zur "Abseitslage" der Rhön und der daraus resultierenden Armut der Bevölkerung geführt. Wenn ein bedeutender Handelsweg die Rhön durchquert hätte, hätte dies sicher bei den Verkehrserschwernissen ab dem Mittelalter, die als "Verkehrsgerechtsamkeiten" überliefert sind, seinen urkundlichen Niederschlag gefunden.

Nur noch einmal, während eines Geleitsstraßenstreites im Jahre 1522 zwischen Würzbug und Fulda, wurde ein Weg über die Hohe Rhön urkundlich erwähnt: Es war die "geleitsfähige Straße" von Gersfeld über Bischofsheim nach Neustadt.

Auch der Einfluss des Klimas sollte in Bezug auf die Besiedelung und auf die Handelsbeziehungen zwischen dem Grabfeldgau und den westlich jenseits der Hochrhön gelegenen Gebieten nicht unterschätzt werden. Nach dem Beginn einer Wärmephase etwa um das Jahr 1000 begannen um 1300 die Temperaturen wieder deutlich unter die Durchschnittstemperaturen der vergangenen Jahrhunderte zu sinken. Die Rhön wurde zu dem Land, von dem man noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts sagte, es sei "rau, unwirtlich und lebensfeindlich." Man muss deswegen davon ausgehen, dass die Überquerung der Hochrhön mit Karren oder Fuhrwerken nur wenige Wochen im Jahr möglich war.


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