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Aus Fuldas Musikgeschichte - Teil I

von Prof. Gottfried Rehm

Die Musik hat in Fulda eine Tradition, die 1250 Jahre alt ist: Das Kloster Fulda war im 8. und 9. Jahrhundert einer der kulturellen Mittelpunkte Europas, in der auch die Musik nachhhaltig gepflegt wurde. Das war zunächst die einstimmige vokale Musik des Gregorianischen Chorals. Aber im Zusammenhang mit der sogenannten Karolingischen Renaissance spielten auch germanische Heldenlieder hier eine gewisse Rolle. So ist uns das Hildebrandslied in einer Abschrift des Klosters Fulda aus dem Jahre 800 überliefert. Um 822 entstand in Fulda das bis heute weltbekannt Lied "Veni creator spiritus" ("Komm, Schöpfer Geist"), dessen Text vom Fuldaer Abt Rabanus Maurus stammt. Als Melodie wurde dafür eine bekannte gregorianische Melodie aus Mailand verwendet.
Zu nennen ist dann Adam von Fulda, der um 1445 in Fulda geboren wurde und 1550 in Wittenberg starb. Er war Komponist mehrstimmiger lateinischer Motetten und war damals auch ein berühmter Musiktheoretiker.
Im Jahre 1491 werden in alten Akten erstmalig auch weltliche Musikanten in der Stadt Fulda erwähnt: Beim damaligen Bonifatiusfest ist hier von "spielluten und pfiffern" (Spielleuten und Pfeifern) die Rede.
Im Fuldaer Jesuitengymnasium der Gegenreformationszeit hatte die Musik ebenfalls einen hohen Stellenwert. Jährlich führte man hier religiöse Singspiele auf. In der Schulchronik ist vermerkt, dass 1620 die Schauspieler und Musiker unter den Schülern nach einer Aufführung vor dem Mainzer Kurfürsten, der als Gast anwesend war, besonders belobigt worden sind.
Im 17. und 18. Jahrhundert war dann das Orchester des fürstbischöflichen Hofes zu Fulda weit und breit bekannt und konnte sich mit anderen Hoforchestern durchaus messen.
Berühmte Instrumentalmusiker und Komponisten waren hier tätig, so die Angehörigen der Familien Zahn, Staab und Henkel. Um ihr Einkommen aufzubessern, spielten die Fuldaer Hofbläser im 17. und 18. Jahrhundert auch bei nichthöfischen Anlässen. So ritten sie an Neujahr in der Residenzstadt Fulda und den umliegenden Dörfern hoch zu Ross von Haus zu Haus und erspielten sich so ein Neujahrsgeschenk. Die Akten berichten, dass auch die fürstlichen "Jäger, Köche, Laquais und Stallbedienten" an Neujahr bei "Höheren und Niedrigen um eine Neujahrsgabe angingen". "Hochgestellte hiesige Persönlichkeiten" beschwerten sich aber, dass dies sich als "schlimmer Missbrauch eingeschlichen habe".
Daraufhin wurde diese Art des Neujahrswünschens im Jahre 1735 vom Fuldaer Fürstabt verboten, "wonach sich jeder gehorsamst zu richten wissen wird." Wegen ihres geringen Einkommens haben dann die Hofbläser gestreikt - und wurden alle entlassen.

Turmbläser zu Fulda

Bis ins 19. Jahrhundert hinein hatte der jeweilige Fuldaer "Türmer" auch die Funktion eines "Stadtmusicus", wie in anderen Städten auch: Er hatte neben dem Wachdienst auf dem Pfarrturm auch musikalisch bei Festen und Feiern mitzuwirken.
Der Fuldaer Türmer erhielt dafür jährlich 152 Gulden, er hatte kostenloses Wohnrecht auf einem Stadtturm, und ihm stand das alleinige Vorrecht zu, bei Tanzveranstaltungen in der Stadt mit seinen Gesellen und Lehrbuben gegen Entgelt aufspielen zu dürfen. Wie Fuldaer Rechnungen von 1604 und später berichten, erhielten damals der Fuldaer Türmer, seine musikalischen "Consorten" und die Tänzer für ihr Auftreten bei der Kirmes vom Stadtrat ein zusätzliches Trinkgeld.

Die Fuldaer Stadtmusikanten von 1823 und ihre Nachfolger

Der letzte Türmer in Fulda mit musikalischen Aufgaben war Philipp Leim. Als er 1822 starb, wurden vom Magistrat nur noch Türmer ohne besondere musikalische Tätigkeiten eingesetzt. Deshalb musste nun die Instrumentalmusik der Stadt anders geregelt werden. Darüber erfahren wir Näheres aus den Akten des Staatsarchivs Marburg (100/8451) und des Stadtarchivs Fulda (XVII B 21):
Im Jahre 1823 gründete der Fuldaer Stadtkantor Michael Henkel "mit Genehmigung der Regierung" die Gruppe der Fuldaer Stadtmusikanten, die nun, da der Türmer nicht mehr musikalisch tätig war, bei kirchlichen und weltlichen Festen und Feiern auf Blas- und Streichinstrumenten mitzuwirken hatten. Dafür erhielt jeder dieser Musikanten vom Fuldaer Magistrat jährlich 20 Gulden. Da mit 1 Gulden damals eine Familie ihren Lebensunterhalt für etwa einen Tag bestreiten konnte, waren diese Musikanten noch auf zahlreiche weitere Verdienstmöglichlichkeiten angewiesen. Deshalb wurden ihnen einige Vorrechte beim Tanzmusikspielen in der Stadt gegen Entgelt (außer an Fastnacht und Kirmes) eingeräumt. Die Stadtmusikanten von 1823 waren: Johann Bamberger, Andreas Ernst, Johann Ernst, Constantin Hartmann, Franz-Michael Hartmann, Adam Veldung und Andreas Wehner. Am 27.12.1823 beauftragte der Stadtrat den Kantor Michael Henkel, die Anwesenheit der Stadtmusikanten bei den Veranstaltungen des abgelaufenen Jahres zu überprüfen und die Anwesenheit zu bescheinigen, "damit bei der Auszahlung des Quartal-Gehaltes nöthigenfalls ein Abzug bewirkt werden kann". Der Stadtrat hatte nämlich Zweifel, ob immer alle Stadtmusikanten mitgewirkt hatten. Henkel bestätigte jedoch, dass sie "bey allen musikalischen Produktionen (Aufführungen), welche 1827 in der Stadtpfarrey dahier Statt hatten, persönlich gegenwärtig waren".
Es war damals üblich, dass an jedem Neujahr die Musikanten von Haus zu Haus zogen und musikalisch Glück wünschten, wofür sie Geld oder andere Geschenke erhielten. Das wurde ihnen jedoch im Jahre 1826 verboten. Deshalb schrieben die Stadtmusikanten am 19.12.1826 an die Regierung, durch dieses Verbot verlören sie nun "einen jährlichen Verdienst von wenigstens 100 Reichsthalern", und sie beantragten eine angemessene Ersatz-Vergütung. Diese wurde aber nicht genehmigt. 1830 beschwerten sie sich beim Magistrat über die Konkurrenz der Militärmusiker beim Tanzspielen in der Stadt, die den einheimischen Musikern manchen Verdienst wegnehme. Die Stadtmusikantenn stellten deshalb den Antrag, der Rat möge beschließen, ihnen mehr Vorrechte beim Tanzspielen in Fulda einzuräumen, was aber nicht geschah. Nach dem Tode von Andreas Ernst wurde 1830 Andreas Romeis als Stadtmusikant eingesetzt. 1831 kam Gustav Staab hinzu, ein Enkel des ehemaligen Fuldaer Hofmusikers Kaspar Staab. 1832 wurde Friedrich Joseph Neu (Ney) Stadtmusikant. Als 1837 Constantin Hartmann eine musikalische Hollandreise unternahm, schied er für kurze Zeit aus. Nach seiner Rückkehr war er wieder in der Gruppe aktiv.
Von einem angeblichen Streik der Stadtmusikanten erfahren wir am 17. August 1837: Der Verwalter Wiegand berichtete an diesem Tag dem Oberbürgermeister, die Stadtmusikanten hätten sich geweigert, am Geburtstag des Kurfürsten im Heilig-Geist-Hospital unentgeltlich aufzutreten. Daraufhin wurden sie vernommen, und Constantin Hartmann erklärte: "Ich habe allein ohne Mitwissen der übrigen dem Herrn Expedienten Ernst die Erklärung abgegeben, daß ich an der Sache keine Freude hätte, weil die Militär-Hautboisten (Militärmusiker) uns alle Verdienst nähmen." Auf die Frage, ob er bei seinem Nein bleibe, gab er zur Antwort: "Ich bin jedoch bereit, künftigen Sonntag im Heilig-Geist-Hospital zu spielen." Auch die übrigen Stadtmusikanten erklärten, dabei mitwirken zu wollen, "wie es ihre Pflicht sei."
Als Henkel 1846 das Ableben von vier Stadtmusikanten meldete, wurden vom Magistrat keine Neueinstellungen mehr vorgenommen. Michael Henkel musste nun andere Instrumentalisten einsetzen. Beim Tode Michael Henkels 1851 lösten sich die "Fuldaer Stadtmusikanten" als Gruppe auf, und deren Aufgabe ging auf andere Musiker über, die dann von Fall zu Fall beauftragt und entlohnt wurden. Seitdem gibt es in Fulda auch kein Tanzmusik-Monopol mehr.
Bereits 1848 hatte Michael Henkel schon einmnal die "Sauersche Musikgesellschaft" aus Fulda beauftragt, bei kirchlichen Veranstaltungen der Stadtpfarrei mitzuwirken. Nach Henkels Tod 1851 wurden die Sauers dann häufiger verpflichtet. Es waren dies folgende Musikanten, die sowohl Blas- als auch Streichinstrumente beherrschten: Johann Adam Sauer, Johann Bernhard Sauer, Sebastian Sauer, Jakob Gutberlet, Nikolaus Hahner, Lothar Hartmann, Ignaz Ochs, Johann Thugut, Johann Weißmüller und Johann Wolfschlag.
Von 1851 bis 1896 war Johannes Gesang der Kantor an der Stadtpfarrkirche Fulda (als Nachfolger von Michael Henkel). Auch er arbeitete mit der Sauerschen Musikgesellschaft zusammen, die dann später in geänderter Besetzung die "Weißmüllersche Musikgesellschaft" genannt wurde.
Auch andere Musikanten wurden in der Folgezeit für kirchliche Aufführungen engagiert. 1871 entstand die Fuldaer Stadtkapelle, ebenfalls mit Streichern und Bläsern besetzt, die unter der Leitung von Georg Simon stand. Sie trat bei zahlreichen weltlichen und kirchlichen Veranstaltungen auf. Nach Simons Tod 1890 wurde die Stadtkapelle dann von Ernst Wienecke und später von H. Neurath geleitet. Besonders in der garnisonslosen Zeit Fuldas zwischen 1871 und 1891 war die Stadtkapelle viel beschäftigt. Als 1891 wieder eine Militär-Musikgruppe nach Fulda kam, geriet die Stadtkapelle etwas ins Abseits - auch bei kirchlichen Aufführungen, da nun häufig Militärmusiker bevorzugt wurden.
Um einheimische Musikanten für die Kirchenmusik zu gewinnen, wurde 1910 die Musikkapelle des dompfarrlichen Jünglingsvereins gegründet, die von Eduard Schreiner geleitet wurde. Diese "Jünglings-Kapelle" ging anscheinend im ersten Weltkrieg wieder ein.
Daneben gab es in Fulda einen sinfonischen Orchesterverein, der "Museums-Orchester" genannt wurde. Dieses Orchester wirkte bei Oratorienaufführungen und größeren Kirchenkonzerten mit. 1933 übernahm der Militärmusiker Lorenz Rohde die Leitung des Fuldaer Sinfonie-Orchesters, das wegen der politischen Sitiuation dann nicht mehr kirchenmusikalisch tätig war.
Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert wurden dann hier zahlreiche Blasmusikgruppen gegründet, die auch kirchliche Aufgaben übernommen haben.

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