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Fulda und das Hildebrandslied

von Prof. Gottfried Rehm

Literatur und Musik haben in Fulda eine lange Tradition: Das Kloster Fulda war im 8. und 9. Jahrhundert einer der kulturellen Mittelpunkte Europas. Im Zusammenhang mit der Karolingischen Renaissance spielten hier auch germanische Heldenlieder eine Rolle: So ist uns ein kostbares Zeugnis der althochdeutschen Literatur nur in einer Abschrift des Klosters Fulda überliefert: die Sage des "Hildebrandliedes". Zwei fuldische Mönche haben es um das Jahr 830 nach einer niederdeutschen Vorlage auf die inneren Umschlagseiten einer theologischen Handschrift in ostfränkischen Mundartformen abgeschrieben. Dieser wertvolle alte Fuldaer Text und andere bedeutende Schriften der Fuldaer Klosterbibliothek wurden von den Hessen im Dreißigjährigen Krieg entwendet und liegen heute in der Bibliothek der Gesamthochschule Kassel.

Das Hildebrandslied schildert die Rückkehr Hildebrands, des Waffenmeisters Dietrichs von Bern, nach 32jährigem Aufenthalt am Hofe des Hunnenkönigs Etzel. Beim Zusammentreffen seines Heeres mit der Gefolgschaft seines Sohnes Hadubrand erkennt der Sohn seinen Vater nicht und hält ihn für einen feindlichen Eindringling. Es kommt zu einem erbitterten Kampf zwischen Vater und Sohn. Im "älteren Hildebrandslied" erschlägt dabei der Sohn seinen Vater. Zwar ist der Schluss des Originals nicht erhalten, aber die dramatische Anlage kann nur auf ein tragisches Ende der Handlung hinweisen. Der jüngere Sagentext, der um 1200 entstanden ist, bringt dagegen einen versöhnlichen Ausgang.

Der in dieser und anderen Sagen genannte Dietrich von Bern ist der historische Ostgotenkönig Theoderich, und das Bern der Sage ist Ravenna. Theoderich und seine Ostgoten hatten 489 den römischen Kaiser Odoaker besiegt und vertrieben, und Theoderich errichtete dann in Oberitalien ein mächtiges Reich. Die Hildebrandssage stellt die Geschichte jedoch anders dar: Danach wurden Theoderich, Hildebrand und die Goten aus Italien vertrieben, die zu Etzel flohen und konnten erst nach 32 Jahren wieder in die Heimat zurückkehren, was historisch falsch ist. (Näheres zum Hildebrandslied in den Fuldaer Geschichtsblättern 1921 und 1955.)

Hier eine einfache, kurze Neufassung des jüngeren Hildebrandsliedes:

Ich will zu Land ausreiten, sprach Meister Hildebrand,
den weiten Weg bestreiten nach Bern ins Heimatland.
Der Weg ist weit nach dorten und den will ich nun fahr'n,
er ist mir unkund g'worden in 32 Jahr'n.

Als er zum Rosengarten kam in des Berners Land,
von einem jungen Helden ward er da angerannt:
Den Weg der ihm versperrte und gab ihm einen Schlag,
dass Hildebrand der Alte zurückwich und erschrak.

Da nun der Kampf entbrannte, rief Hildebrand: Halt ein!
Verteidigst du die Lande, wer magst du da wohl sein?
Der sprach: die Eltern heißen Ute und Hildebrand,
den Vater ich nicht kenne, und ich bin Hadubrand.

Der Alte rief: Dann bist du mein lieber einzger Sohn!
Dass ich erkannt dich habe ist Glück und Rettung schon.
Er nahm ihn in die Arme und küsst ihn auf den Mund:
Gott Lob und Dank gesungen! Wir sind noch beid' gesund!

© 1997 Symbol: E-Mail LinkG. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Symbol: Interner LinkProf. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.


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