die Rhön
entdecken Sie die Rhön online
|1.1  Startseite |1.2  Sitemap |1.3  Suche |1.4  Kontakt |1.5  Impressum |1.6  Datenschutz |1.7  A-Z |  
 Startseite > Rhoenline > Geschichte(n) > Mundart: Üm dan Moattblatz vo Burgedrouth rüm > Um den Marktplatz von Burkardroth (um 1950) >

Anzeigen
Landhaus Hubertus

Rund um den Marktplatz von Burkardroth (ca. 1950)

[Symbol: Interner LinkZur Rhöner- Platt- Version dieses Artikels...]

Diesen Artikel bieten wir exklusiv auch im Original Burkardrother Platt gesprochen an. Der Text steht in drei verschiedenen Formaten zur Verfügung:

Symbol: Interner LinkWindows Media Player

Symbol: Interner LinkOgg-Vorbis

Symbol: Interner LinkReal Audio

Zum Anhören benötigen Sie einen dieser kostenlos erhältlichen Abspiel-Programme:
Symbol: Externer Link Symbol: Externer Link Symbol: Externer Link

Als wir jung waren, war der Marktplatz unser Spielplatz. Am Nachmittag, nach der Schule, nachdem wir unsere Hausaufgaben gemacht hatten- und die waren zu dieser Zeit schnell gemacht- war da ein Leben!

Der Marktplatz war jedoch nicht halb so groß wie heute. Die eine Hälfte bestand aus dem Schulgarten, in dem die Frau des Lehrers alle Sorten Gemüse, Salat und Blumen züchtete, und in dem es auch Apfel- und Weichselbäume gab. Um den Garten herum war ein hölzerner Gartenzaun. Davor stand das Kriegerdenkmal und die Mutter Gottes (-Statue), eingerahmt von sehr hohen Nadelbäumen und umgeben von (einem Zaun aus) großen Eisenstäben. Daneben war der Brunnen, bei dem am Markt Margaret aus Schweinfurt ihren Stand hatte, mit sehr schönen Sachen für Kinder, umhäkelten Stanniolkugeln, an denen eine Gummischnur befestigt war, kleine Schießgewehre für zehn Pfennige, Magenbrot, kleine Pfeifchen, mit denen man zuerst pfeifen und die man anschließend lutschen konnte. Dort verkaufte auch immer Fritz Würstchen. Bei diesem Brunnen konnte man trinken, wenn man Durst hatte, aber man konnte auch sehr gut andere Kinder nass spritzen, wenn man mit seinem Daumen das Wasser im Rohr nicht herausließ. Lief bei ganz kleinen Kindern die Nase zu sehr, hatten wir auch schon einmal Mitleid mit ihnen und wuschen sie dort ab.

Bei der Apotheke war auch ein Garten, in dem sogar ein uraltes Gartenhäuschen stand. Vor diesem Garten war die Viehwaage. Ab und zu wollte eines dieser störrischen Rinder sich nicht wiegen lassen und musste dann mit der Peitsche darauf getrieben werden. Vielleicht wusste es schon, was es bei Arnulf (dem Metzger) zu erwarten hatte.

Auf diesem Marktplatz stand kein Auto, nur manchmal kam das Postauto von Bad Kissingen, das eigentlich der Omnibus war. Auf dem Dach hatte es Pakete geladen. Nachdem es angekommen war, hupte es und Benedikt fuhr mit dem gelben Postkarren hinüber und lud die Pakete, die ihm der Fahrer herunterwarf, der Reihe nach hinein. Die Straße war nicht geteert und wenn es richtig regnete, gab es viel Matsch. Erst später wurde kanalisiert und gepflastert.

Zweimal am Tag holte das Milchauto die Milch, ansonsten rumpelte nur manchmal ein Kuh- oder Pferdefuhrwerk drüben hinauf oder hinunter, mit einem Leiterwagen voll Heu oder mit einem Mistwagen, in dem die Mistgabel steckte.

Doch ansonsten gehörte der Platz uns Kindern. Der Boden war ganz eben und weich. Die Buben, die Stelzen liefen, hatten einen sehr guten Halt darin. Neben dem Posthügelchen (= kleine hügelige Brücke über die Aschach) ritzten wir mit Stecken Striche für „Bin ich?“ und für „Bubennamen-Mädchennamen“ direkt in den Boden. Die Wurfsteinchen blieben immer gut liegen und wir konnten dann hüpfen und unserer Kreuzchen in die Felder einzeichnen. Ball spielten wir auch oft, die Jungen Fußball, wie immer, die Mädchen hatten andere Spiele. Stundenlang spielten wir unter der Laube, die über den Zugang zur Apotheke gewachsen war, „Rose“ an die Hauswand der Apothekerin. Das gefiel ihr zwar nicht so sehr, manchmal schimpfte sie uns auch. Aber uns passte es auch nicht besonders, dass sie jeden Morgen ihren Nachttopf von oben in den Bach hinunter ausleerte.

Bei (dem Spiel) „Rose“ musste man zehnmal den Ball gegen die Wand werfen und wieder fangen, neunmal hinschlagen, achtmal hinboxen, siebenmal „Beten“, dazu wurden die Hände wie zum Beten zusammengelegt, und so schlug man den Ball gegen die Wand - und noch andere derartige Dinge. So ging es weiter, bis man bei eins war, bei dem man sich ganz schnell umdrehen und den Ball wieder fangen musste. „Schwarzer Mann“, „Der Fuchs geht rum“ und Fangen spielten wir auch, der Ruheplatz war immer bei der Waage. Für Versteckspielen war der Marktplatz sehr gut geeignet. Mit dem Hüpfseil befassten sich eigentlich nur die Mädchen, die Buben stellten sich dazu nicht so geschickt an.

Was die aber besser konnten als die Mädchen war das Kämpfen. Ein Wort und ein Gegenwort und schon war es passiert, mein lieber Scholli! Aber wehe, wenn die heimgekamen, Gnade Gott! Meistens hatten es die Mädchen schon verraten, das konnten die schon immer sehr gut, da bekamen sie dann nochmal Schläge, „Bruder Lack“! So konnte es sein, dass einer doppelt Hiebe bekam.

Wer ein Baby (kleines Geschwisterchen) hatte, durfte es im Kinderwagen oder mit einem Sportwagen (Sommer-Kinderwagen, ohne Dach) ausfahren. Wir stellten es bei der Apotheke in den Schatten , steckten ihm seinen Schnuller in den Mund und spielten weiter. Aber immer musste man damit rechnen, dass jemand sich hineinbeugt und mit seinem dummen Geschwätz das Kind vollspuckt.

Beim Bach mussten wir immer ein wenig aufpassen, um nicht hineinzufallen . Er wurde hin und wieder einmal gestaut und da war er auch ziemlich tief. Die Leute konnten dort, wo ein großer viereckiger Stein im Wasser lag, die Kartoffeln für die Schweine waschen. Wenn es sehr heiß war, holten wir uns ein Badewännchen oder einen alten Waschtrog und ließen sie dort in den Bach, wo beim Markt immer die Frau mit dem Geschirr saß, das sie auf Holzwolle ausgebreitet hatte, und fuhren dann damit auf dem Wasser herum. wir paddelten mit den Stecken, mit denen die Wäsche (im Wäschebottich) umgerührt wurde.

Ab und zu konnte man unter der Brücke auch eine Ratte sehen. Da rannten wir aber schnell weg.

Auf dem Weg zum Kindergarten kürzten wir immer ab. Bei (Ro-)Salia hinunter, deren Geißen man schon auf dem Weg riechen konnte, bei (Dorfname) Edmund vorbei, wo immer Fensterrahmen zum Trocknen an der Hauswand lehnten, und von dem wir manchmal auch ein wenig Kitt bekamen, mit dem wir kleine Kugeln formen konnten. Beim (Haus des Herrn) Schirmer überquerten wir auf den Steinen den Bach. Da konnte man froh sein, wenn es gut gegangen war. Als wir Richtung Holzmühle hinunterliefen, hatten wir große Angst bei (Dorfname) Res (Theresia) und ihren Gänsen. Wenn die ihren Hals reckten, ihren Schnabel ganz weit aufrissen und dann noch zischten, da hättest du uns einmal sehen sollen, wie schnell wir beim Brückchen zum Kindergarten waren.

Auf dem Marktplatz war immer etwas los. Wenn der Herr Pfarrer, das war ein gewichtiger Mann, mit seinem Barett auf dem Kopf und seiner langen schwarzen Soutane mit großen Schritten in die Kirche marschierte, machten wir immer einen Knicks und die Buben eine ordentliche Verbeugung und sagten „Gelobt sei Jesus Christus“. Das machten wir auch bei Frau Oberin, die unserer Lehrerin war. Auch „Schwester Hadulfa“ ging jeden Tag mit ihrer schwarzen Tasche das Dorf hinauf. Sie verband den Leuten die offenen Beine und hatte noch anderes medizinisches Wissen. Hin und wieder holten alte Frauen hinten in der Kirche ein Fläschchen voll Weihwasser und trugen es die kleine Treppe hinauf zum Friedhof. Immer, wenn am Samstag Beichten für die Kinder war, war eine große Aufregung rund um die Kirche . Jeder las sich noch einmal vor der Kirche seinen Zettel (auf dem er seine Sünden aufgeschrieben hatte) durch und gab Acht, dass ihm kein anderer hineinschaute. Wer aber selbst noch nicht genug Sünden gefunden hatte, konnte auch schon einmal einen anderen fragen, ob der nicht noch eine wüsste. „Ich habe genascht, dreimal“, das passte immer .

Rund um den Marktplatz gab es etliche Geschäfte, herüben die Post, das war ein Laden, in dem man bei Alfons mit seinem weißen, gestärkten Mantel eigentlich alles bekam, was man brauchte. (Kolonialwaren und später Gemischtwaren stand vorne ) (am Haus), von Backsteinkäse und Petroleum bis Salzheringe und Zichorie, aber auch für zehn Pfennige Bonbons in ein Tütchen. Nebenan war auch die richtige Post. Bei (Dorfname) Erhard konnte man telefonieren, den Tierarzt anrufen oder ein Telegramm aufgeben. (Dorfname) Irma steckte hinten am Telegraphenschrank die Stecker in die richtigen Löcher. Am Monatsersten holten die Leute ihre Rente ab. Da war immer viel Betrieb. Genauso wie bei (Dorfname) Rosines Kegelbahn, zu der die Männer, die keine Arbeit hatten, zum Stempeln hingingen.

Wir Kinder waren immer in Bewegung. Was gebraucht wurde, durften wir einkaufen. Neben der Kirche hatten Glücklers ihren Laden, bei Kochs konnte man weißen Faden und Knöpfe kaufen, bei (Dorfname) Albin gab es auch Nägel, Hämmer und derartige Sachen. Sogar ein Frisör war schon da. Königs Ludwig hatte sehr guten Leberkäse und eine ganz hervorragende breite Fleischwurst. Bei Arnulf bekam man den Braten für Sonntag, Suppenfleisch und für die Leberklößchensuppe an hohen Feiertagen Leber und Nierenstolle. Brötchen und Brot gab es bei (Dorfname) Emma und bei (Dorfname) Rosine, die auch gute Amerikaner (süßes Gebäck) hatte. Bei den Bäckern roch es immer sehr gut. Samstags trugen die Leute große runde Bleche mit (flachen) Zwiebel-, Käse- und Apfelkuchen und mit Streuselkuchen, der etwas höher war, hin zum Backen.

War es einmal sehr warm, durften wir uns am Sonntag für zehn oder zwanzig Pfennige bei Rosine Eis kaufen. Wir setzten uns auf den Brunnen, schlenkerten mit den Beinen und schleckten unser Eis.

Nebenan war bei Kaisers Anton auch immer etwas los. Das war eine Reparaturwerkstätte mit Tankstelle. Die Leute fuhren mit ihren kleinen Motorrädern der Firma Sachs hin und (Dorfname) Alwine füllte den Tank. Fahrräder hatten die kleinen Kinder damals noch nicht, das kam erst später.

 

Am Bach hinunter war auch Theodor, der Schuster. Bei ihm roch es immer ganz besonders, das war aber dessen Kleber. Manchmal schauten wir zu, wie er mit kleinen Holzstiftchen Schuhe reparierte. Wenn seine Frau, die (Dorfname) Marie Wäsche gewaschen hatte, hängte sie immer die Unterhosen und Hemden über den Gartenzaun, neben die Milchkanne und die Eimer.

Ein paar Mal in der Woche schellte Anton mit der Schelle auf dem kleinen Posthügel aus und verkündete laut, was für die Menschen wichtig war, wann Frondienst war, wann die Männer zum Steineklopfen zum Langen Berg mussten, etwas von der Gemeinschaftsbrauerei in Zahlbach, vom Milchgeld und von anderen Sachen.

Die Schule war da, wo heute das Rathaus steht. Die „kleine Schule“, das war die erste bis vierte Klasse und die „große Schule“, ab der fünften Klasse bis zu den Achtklässlern. Dazwischen hatte die Gemeinde ein kleines Zimmer. In der Schule roch es immer ein wenig dumpf, ganz schrecklich stank es aber auf der Toilette, da hielt man es lieber bis Mittag aus. Lehrer Worsch, der oft auf seiner kleinen Bank unter dem Birnbaum neben der Schulscheune saß, hatte auch einen eigenen Geruch, er roch so stark nach Knoblauch, dass man einen Bogen um ihn herum machte. Wenn manchmal Panzer durch das Dorf hinauffuhren, Bruder Herz, dann wackelten die Scheiben im Klassenzimmer und man verstand sein eigenes Wort nicht.

Im Winter, wenn es richtig geschneit hatte, war es auf diesem Marktplatz auch sehr schön. Mit unseren Schlitten fuhren wir den kleinen Hügel vor der Post hinunter. Das war natürlich nicht so lang wie die richtige Schlittenbahn, oben „am Stützle“, doch dafür mussten wir auch nicht lange hinaufziehen. Auf den zugefrorenen Pfützen rutschten wir, aber eine richtig große Rutschbahn war das nicht. Eine Schneeballschlacht gab es auch manchmal. Die Finger bitzelten und Eisbrocken waren an der Trainingshose angefroren. Wenn einer dann auch nur einen einzigen Ball zu viel abbekommen hatte, oder wenn er so richtig mit Schnee gewaschen worden war und er den Schnee hinten ins Genick bekommen hatte, dann konnte ganz überraschend aus diesem Spaß eine richtige Schlägerei werden. „Mein lieber Schieber“, mit hochroten Köpfen gingen die (bösen) Buben wie Truthähne aufeinander los, nahmen sich in den Schwitzkasten (=klammerten den Arm um den Kopf des Kontrahenten) und wälzten sich im Schnee. Manch einer kam ganz schön zugerichtet nach Hause.

Am Abend, wenn (die Glocke für) das Gebet (=“Der Engel des Herrn“) läutete, hatten wir es aber eilig, da sind wir auf der Stelle (sofort) nach Hause gegangen. Eigentlich hätte man da nämlich schon zu Hause sein müssen !

Blau - leuchtete es damals auf dem Marktplatz auch ab und zu !

Aber nur, wenn einer der „Quartalsäufer“ seinen Rausch hatte, wenn er zu lange bei Arnulf gewesen war oder bei (Dorfname) Rosine zu viel getrunken hatte. Wenn der dann- blau wie eine Strandhaubitze- mit seiner Trunkenheit am Bach entlang hinaufwankte, und „die Donau so blau, so blau“ dabei sang, dann sah er vielleicht damals schon in seinem Delirium, was er heute da sehen würde! Und weil er dachte, er sähe eine Fata Morgana, machte er gleich noch einen Umweg hinein zum (Dorfname) Bäcker(=Gasthaus), um noch ein wenig Zeit zu gewinnen. Wenn der dann in seinem veilchenblauen Zustand heimkam, konnte es durchaus sein, dass ihn seine Frau verprügelte und er ein blaues Auge und noch ein ganz anderes blaues Wunder eingebläut bekam.

Daran erinnerte sich (Dorfname) Ilse, als sie den neugestalteten Marktplatz betrachtete.


| 06+M55dbddc47bc.html#top">nach oben |
© by rhoenline & rhoenline-media