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Wallfahrtsort Maria Ehrenberg - Geschichte Teil III

Von Alfred Saam

Aus Karlstadt, dem Hauptort des Archidiakonats, wo sich jedes Jahr der gesamte Klerus des im Norden bis nach Dietershausen und Poppenhausen reichenden Sprengels zum Kapitel versammelte, stammte bekanntlich die treibende Kraft des Wittenberger Bildersturms, Andreas Rudolf Bodenstein, der nach seiner Heimatstadt gewöhnlich Karlstadt genannt wird.

Was die verhängte Buße betrifft, so ist nicht nur ihr Maß, sondern auch die Verteilung des aus ihr fließenden Geldes bemerkenswert. Handelt es sich bei 50 Gulden doch immerhin um die Höhe eines mittleren Jahreseinkommen für einen Geistlichen zu dieser Zeit. Zugleich bestätigt die Summe die vielfach beklagte Habgier der Sendrichter, weshalb der Send im Spätmittelalter allgemein unbeliebt war. Im übrigen hatte der Send als geistliches Rügegericht durch den Verzicht auf kirchliche Bußwerke ohnehin seine seelsorgliche Bedeutung verloren. Wenn bei der Verteilung des Bußgeldes die Amtleute von Brückenau einen ansehnlichen Teil erhielten, dann geschah dies einmal als Entschädigung für die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung bei der Abhaltung des Sendgerichtes, zum anderen, weil der Fuldaer Fürstabt, wie alle nichtbischöflichen Landesherren dieser Zeit, bei seinen Bestrebungen, ein eigenes, von einem Bischof unabhängiges sogenanntes landesherrliches Kirchenwesen zu errichten, die Bischöfe und Archidiakone ihre Rechte in seinem Territorium längst nicht mehr ohne weiteres ausüben ließ.

In der Landgrafschaft Hessen z.B. spielte die Gerichtsbarkeit der Archidiakone im Spätmittelalter kaum noch eine Rolle. Ebenso konnte der Erzbischof von Mainz, zu dessen Sprengel die Landgrafschaft Hessen gehörte, dort kaum noch seine Rechte ausüben. Wollte der Offizial also überhaupt noch seine Sendgerichtsbarkeit ausüben, blieb ihm nichts anderes übrig, als den betreffenden Landesherrn bei den eingehenden Bußen mitteilen zu lassen. Im Amt Brückenau war zu dieser Zeit der Fuldaer Fürstabt jedoch seit langem nicht mehr alleiniger Landesherr, sondern auch der Erzbischof von Mainz und der Landgraf von Hessen, denen das Amt zu bestimmten Teilen verpfändet war und die wie der Abt je einen eigenen Amtmann in Brückenau unterhielten, weshalb der Brief der Gemeinde von Kothen an den Koadjutor von mehreren Amtsleitern als Empfänger der zweiten Hälfte des Bußgeldes spricht.

Wie erwähnt, hatte die Gemeinde Kothen ihre Antwort erst für den folgenden Tag, an dem das Sendgericht in der Nachbarpfarrei Schondra stattfand, in Aussicht gestellt. Es wurden drei Männer bestimmt, die sie dem Offizial überbringen sollten. Sie war kurz und einfach und beinhaltete, dass Anklage und Urteil die Gemeinde Kothen gar nicht berühren würden, da die Kapelle auf Grund und Boden des Landesherrn stehe und mit dessen Genehmigung errichtet worden sei. Ohne jedoch auf die Antwort einzugehen, blieb der Offizial bei seinem Urteil, der verhängten Buße und der Zitation. Darüber hinaus zitierte er jetzt auch noch den Kothener Kaplan vor das Geistliche Gericht nach Würzburg, weil er die Errichtung der Kapelle zugelassen habe. Da der Kaplan anscheinend schon älter und gebrechlich war, befahl der Offizial den Bauern, dass sie ihn auf einem Karren nach Würzburg brächten.

In dieser Situation nun wandten sich der Kaplan, der Schultheis und die gesamte Gemeinde von Kothen hilfesuchend an den Landesherrn mit jenem eingangs erwähnten Schreiben, das nicht nur über die Angriffe der religiösen Neuerer auf Wallfahrt und Kapelle auf dem Orenberg, sondern auch – wenigstens bis heute – als einzige bekannte Quelle über die Entstehung von Wallfahrt und Kapelle unterrichtet. Bereits wenige Tage später, am 23. Januar 1523, sandte der Koadjutor das Schreiben der Gemeinde Kothen dem Bischof von Würzburg zu mit der Bitte um eine schriftliche Stellungnahme. Am 27. Januar teilte Bischof Konrad von Thüngen dem Koadjutor mit, dass er "ytz unndt mit stattlich Anntwortt gebenn könne", da der Offizial von seiner Sendreise noch nicht zurückgekehrt sei. Nach dessen Ankunft wolle er sich bei ihm erkundigen und dann zu der Angelegenheit Stellung nehmen.

Damit ist der Inhalt der vorliegenden Quellen über die Entstehung der Wallfahrt zum Maria Ehrenberg zwar erschöpft, aber vor diesem Hintergrund lässt sich eine interessante Feststellung machen: Die Wallfahrt zum Maria Ehrenberg ist eine Nachbildung der Wallfahrt nach Grimmenthal bei Meiningen. Diese war 1497 entstanden und hatte sofort einen solchen Zustrom von Wallfahrern aus ganz Deutschland in Bewegung gesetzt, dass die Redensart entstand: "Es kommt ihn an wie das Laufen ins Grimmenthal." Verehrt und angerufen wurde in Grimmenthal Maria als Mutter der Barmherzigkeit, und zwar besonders in Kindsnöten, bei Kinderlosigkeit, Gefangenschaft und allen Arten von Krankheiten, vor allem aber bei Syphilis, die, nach dem vermeintlichen Herkunftsland auch "Malafrantz" oder "Mala Frantzoß" genannt, um 1496 in Deutschland eingeschleppt worden war und nicht nur Erwachsene, sondern infolge mangelnder Hygiene auch kleine Kinder befiel. Gefördert wurde die Grimmenthaler Wallfahrt vor allem durch den Landesherrn, Graf Wilhelm IV. von Henneberg, welcher der Vater des obengenannten Fuldaer Fürstabtes Johann III. von Henneberg war.

Bei Graf Wilhelm, der wie zahlreiche deutsche Fürsten im Spätmittelalter stark verschuldet war, verbanden sich mit seinen frommen Absichten freilich auch wirtschaftliche Überlegungen. Er täuschte sich nicht in seinen Erwartungen. Denn die aus den reichlich fließenden Opfern sich ansammelnden Kapitalien der Wallfahrtskirche machten diese zu einem sehr leistungsfähigen Geldinstitut, das selbstverständlich zuerst dem Landesherrn zur Verfügung stand. Auf die Einkünfte aus der Wallfahrt erhob jedoch auch der Bischof von Würzburg Anspruch, weil er die geistliche Oberhoheit über Grimmenthal besaß. Es entstand ein über zwanzig Jahre dauernder Streit zwischen Graf und Bischof um die Einkünfte aus der Wallfahrt, der sich schließlich dadurch erledigte, dass infolge der religiösen Neuerung die Wallfahrt immer mehr zurückging und keine Opfer mehr fielen. Als 1506 Bischof Lorenz von Bibra seine Ansprüche geltend zu machen versuchte, schickte Wilhelm von Henneberg einen Gesandten nach Rom, der von Papst Julius II. eine Bulle zugunsten des Grafen erwirken sollte.

Der Papst entsprach darin der Bitte Wilhelms und verfügte, dass die Einkünfte ausschließlich für kirchliche Zwecke und für die Armen verwandt werden sollten und nicht an den kirchlichen Oberen, d.h. an den zuständigen Bischof, abgeführt zu werden brauchen. Allerdings übertrug er die gesamte Angelegenheit den Äbten von Fulda und Veßra zur Untersuchung und auch zur endgültigen Entscheidung, da er sich selbst, was nur verständlich war, keine ausreichende Kenntnis von ihr verschaffen konnte. Die Untersuchung zog sich über drei Jahre hin.

1510 fällten die Äbte die Entscheidung, die ganz nach den Wünschen des Grafen ausfiel, was auch gar nicht verwundert, da der damalige Fuldaer Abt Johann II. von Henneberg ein Onkel des Grafen Wilhelm und außerdem Taufpate von dessen Sohn Johann, dem obengenannten Koadjutor und späteren Fürstabt von Fulda, war und da dem Abt von Kloster Veßra, das in der Grafschaft Henneberg lag und Grablege des Grafen war, gar keine andere Wahl blieb. Der Fuldaer Abt Johann II. war übrigens selbst ein Freund der Grimmenthaler Wallfahrtskirche. Für den 1501 in ihr errichteten Kreuzaltar, der neben dem hl. Kreuz und anderen Heiligen auch dem hl. Bonifatius geweiht wurde, schenkte er eine Schulterreliquie des hl. Bonifatius.


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