Wandererzählung Himmeldunk

Auf dem Himmeldunk – eine Wandererzählung von Waltraud Röding, mit Fotos von Ken, Martin & Waltraud

10. Februar 2001 – Die Sonne lacht wieder vom blauen Rhönhimmel, als wir (Sasja & Ken, Martin & ich) unser Auto bei der Schwedenschanze abstellen, um diesmal den Himmeldunk zu erwandern.

Auf der Wanderkarte beim Parkplatz ist unsere geplante Tour als Wanderweg Nr. 1 mit 7,5 km angegeben. Gerade richtig für einen trockenen, nicht zu kalten Februartag.

Zwar ist vom Schnee fast nichts mehr zu sehen, nur noch in Mulden und Schattenplätzen hält er sich, aber es ist richtig tolles Wander-Wetter.

Nachdem wir unsere Jacken angezogen haben und die Rucksäcke geschultert sind, geht es erst ein Stück durch den Wald. Die Brend-Quelle lassen wir rechts liegen, unser Weg führt weiter aufwärts und biegt dann rechts ab. Auch hier geht es stetig leicht bergan.

Ein bisschen vermissen wir den Schnee, der uns auf unserer letzten Wanderung begleitet hat. Nur noch wenige Schneefelder sind zu sehen. Auf der Schattenseite zieren kleine gefrorene Tropfen die dunklen Tannen und vereinzelte Sonnenstrahlen, die sich den Weg durchs Geäst bahnen, lassen sie buntfunkelnd aufleuchten.

Wir wandern an einer kleinen Lichtung vorbei, deren schon frisches Grün von der Sonne beschienen wird, sehen Wildspuren auf unserem Weg und lauschen der wohltuenden Stille, die nur vom Knirschen unserer Schritte auf dem leicht angefrorenen Boden unterbrochen wird und ab und zu von einem: „Schaut doch mal…“ wenn einer von uns etwas entdeckt hat.

Gerade als wir der Meinung sind, jetzt genug Bäume gesehen zu haben und uns wieder Licht und Sonne herbei wünschen, kündigt sich das Ende des Waldweges mit sonnighellem Schein an.

Und dann ist sie wieder da, die herrliche Weite der Rhönkuppen mit ihrem zauberhaften Blick in die Landschaft. Selbst wenn wir abertausendmal in der Rhön wandern würden, dieser Augenblick, wo der Wanderer auf den Höhen aus dem Wald tritt, hinein ins Licht und das Auge schaut und schaut und kann sich nicht satt sehen an all dem Schönen, dieser Augenblick wird uns immer wieder rundum glücklich und zufrieden machen.

Wir verstehen dann all die Bergjauchzer und Freudenjodler und wenn wir uns schon nicht laut getrauen, so jauchzt das Herz doch inwendig.
Wir atmen tief die klare Bergluft ein und am liebsten möchten wir hier ewig verweilen.

Und weil da auf dem Teufelsberg Bank und Tisch stehen und genau dazu einladen, machen wir Rast, stellen die Rucksäcke ab, laufen auf die nächste Anhöhe, um noch weiter unsere Blicke schweifen zu lassen; dazu ein Schlückchen heißen Tee aus der Thermoskanne, ein Stück Brot und tief, tief durchatmen. (Die beste Entspannungsübung, die ich kenne!)

Der Arnsberg scheint uns zum Greifen nah und dahinter erhebt sich – schon ohne Schneekleid – der Kreuzberg. Leider kennen wir nicht alle Bergnamen, dabei würden wir am liebsten jeden einzelnen mit seinem Namen grüßen.

Nachdem wir uns losgerissen haben von diesem schönen Fleckchen führt der Weg dem Himmeldunkberg zu. Hier begegnen uns auch die ersten anderen Wanderer. Strammen Schrittes kommen sie den Berg herab, ein knappes „Tag“ und weiter eilen sie – und wie mir scheint, sie sehen nichts. Keine bewundernden Blicke in die Runde, kein freudiges Durchatmen, kein Leuchten in den Augen. Solche Marschierer sind wir allerdings nicht.

Wir sind die „Trödler“, die „Zeit-Vertuer“ und „Herumgucker“, die zu allen Wanderwegen mindestens doppelt so lange brauchen wie in den Wandertipps angegeben wird. Aber wir genießen vom ersten bis zum letzten Schritt, freuen uns am Farbenspiel des Himmels und des Waldes und ‚schauen hin‘, immer bereit, ein paar Erinnerungsfotos mitzunehmen, mit der Kamera und mit den Augen.

Und dann bieten uns Martin und Ken schon wieder etwas zum ‚Hinschauen‘: sie diskutieren ernsthaft und fachmännisch die Länge und Wärmefähigkeit ihrer Socken! Welche Fotografin könnte da schon widerstehen?!

Unser Weg führt jetzt unterhalb des Himmeldunkberg-Gipfels rechts vorbei, Richtung Rockenstein. Heißt das etwa, dass wir dort nicht ganz hinauf kommen? Also wenn ich schon so weit laufe…: „Wartet Ihr hier auf mich? Ich muss da mal rauf und gucken. Ihr könnt ja langsam weiterlaufen, ich hole euch schon wieder ein.“ Alle sind einverstanden und ich laufe los, diesmal auch strammen Schrittes, damit die anderen nicht so lange auf mich warten müssen. Es geht ganz schön bergan und ich muss – fast oben – doch etwas langsamer machen.

Ein Blick zurück auf die anderen, da sehe ich Ken hinter mir den Berg herauf kommen; noch so ein Neugieriger. Wir schnaufen ganz schön heftig. Aber als wir oben sind, zwischen Berg und Himmel, geht’s uns soo gut. Wir laufen ein Stück entlang. Auch hier ist alles weit und frei und auch hier ist der Blick wunderschön.

Jetzt sehe ich Martin den Hang heraufkommen, Sasja steht zögernd noch unten. Aber dann kommt auch sie. Und wir sind alle Vier da oben und keinen hat’s gereut, dass er da hinaufgeschnauft ist, bis das Herz in den Ohren geklopft hat.

Wir laufen ein ganzes Stück oben entlang und wieder zurück. Von einer Stelle aus können wir gut den Simmelsberg sehen, den wir vor ein paar Wochen erwandert haben. Unten führt unser Wanderweg Richtung Oberweissenbrunn. Wenn wir gleich hier herunter laufen, haben wir (ohne die mindestens 1 – 2 km Zuschlag auf dem Himmeldunkberg) vom eigentlichen Wanderweg bestimmt 300 m abgekürzt.

Beim Heruntergehen sehen wir alte knorrige Bäume, die sich dunkel von einem tiefblauen Himmel abheben. Sie haben ihre eigene Schönheit, so wie sie da stehen, unbeirrbare Wächter der Zeiten; beeindruckend, gelassen, erhaben wirken sie. Ein kleines Steinfeld kommt in unser Blickfeld und dann sind wir wieder ‚auf dem rechten Weg‘. Der macht nun nochmals eine leichte Rechtskurve.

In einer Mulde sehen wir eine weiteres Steinfeld und auf der Schattenseite halten sich noch kleine Schneefelder. Martin und Ken erwähnen Schlangen wie Kreuzottern, Blindschleichen, sogar Vipern die es hier ‚sicher‘ gibt, wohl um Sasjas und meinen Mut zu testen. Aber wir Beide gehen davon aus, dass es den Schlangen zu kalt ist und sie brav zuhause bleiben, wo immer das auch ist.

Jetzt erblicken wir den Rockenstein, der sich vor uns erhebt.

Und dann entdecken unsere Männer noch ein ‚Rhönbad‘, und da müssen sie hin. Während Sasja es sich auf einer Bank in der Sonne bequem macht, gehe ich den Männern hinterher. Durch die Schneeschmelze kommen von allen Seiten kleine Bächlein angegluckert und ich lande – platsch – im Matsch, aber gründlich.

Jetzt kommen dann die gutgemeinten Ratschläge: „Ja du hättest hier herum laufen sollen. Nicht dort, da ist es sumpfig und nass.“ Zu spät. Meine Schuhe sehen aus wie nach einer Sumpfdurchquerung. Zum Glück ist’s nur außen nass. Dafür habe ich Schlammränder an der Hose, das sieht richtig nach zünftiger Wanderung aus.

Nachdem sich Ken und Martin endlich von der Viehtränke trennen können, gehen wir weiter. Ich glaube, am Bächlein entlang laufen zu müssen, weil da etwas weiter vorne eine Überfahrt ist und weil’s so schön plätschert und glitzert usw. Aber da lande ich wieder im Schlamm, der hinterlistig unter dem satten Wiesengrün lauert. Jetzt ist’s eh schon egal.

Sasja und Ken wandern nun, wie es sich gehört, auf dem Wanderweg gen Oberweißenbrunn, während Martin und ich doch noch mal auf den Rockenstein klettern müssen. Aber da wir an diesem Tag von herrlichen Aussichten schon absolut verwöhnt sind, hat dieser Gipfel uns nicht viel Neues zu bieten.

Endlich laufen wir in Oberweißenbrunn ein. Im „Lamm“ gibt es einen traumhaften Apfelstrudel mit Vanilleeis und Sahne und für die Männer was „Deftiges“. Durch die angenehme Wärme und das gute Essen, kommen wir fast nicht mehr von unseren Bänken hoch. Martin fragt die Wirtin schon nach einem Bus zur Schwedenschanze. Aber nix da, es wird weitergelaufen!

Ein kleines Stück wandern wir nun neben der Straße her, dann geht es rechts ab und wieder bergauf, dem Höhenzug entlang. Die Schatten sind schon länger geworden, die Täler verschleiern sich im Dunst, es wird merklich kühler. Überall von den Höhen plätschern und gluckern kleine Bächlein zu Tal und eine Bank am Wegesrand lädt uns zu einer letzten kurzen Rast ein.

Dann entdecken wir nochmals eine Quelle, den Gutzemes-Hag-Brunnen (= gut zugemessener Waldbrunnen), in der Martin seine Schuhe säubern will. Hier seine Erfahrung an alle Nachahmer: Auch in wasserfesten Stiefeln kann das Wasser von oben eindringen!

Nun laufen wir noch ein Stück durch den Wald, direkt an der Brend-Quelle vorbei und weiter Richtung Schwedenschanze. Als wir am Auto ankommen sind wir rechtschaffen müde – doch wir sind uns einig: schön war’s wieder in der Rhön!

Und wenn an einem Wochenende die Sonne scheint und wir alle Zeit haben, dann suchen wir uns den nächsten Berg in der ‚rhönline‘ aus und wieder heißt es: Auf geht’s!