Musikleben in Fulda im 18. und 19. Jahrhundert

Eine Rückblick von Prof. Gottfried Rehm, Fulda

Im 8. und 9. Jahrhundert war das Kloster Fulda einer der kulturellen Mittelpunkte Europas, in dem auch die Musik einen Schwerpunkt hatte. Später hat Fulda allerdings diese Bedeutung wieder verloren. Zwar stammt der 1445 geborene Musiktheoretiker und Komponist Adam von Fulda von hier; er hat aber in Wittenberg gelebt und gewirkt und hatte für die Musikgeschichte Fuldas keine Bedeutung.

Die Hofmusik vor 1737

Die Musik erreichte in Fulda wieder eine Blütezeit im 18. Jahrhundert am fürstlichen Hof zu Fulda. Die Fuldaer Äbte und Bischöfe waren (als Fürstäbte und Fürstbischöfe) zugleich auch weltliche Herrscher. Es bestand hier für Feste, Feiern und Konzerte, zur Unterhaltung und als Tafelmusik eine Kammermusikgruppe, als deren Leiter ein Cembalospieler mit dem Titel Konzertmeister angestellt war. Seit 1671 war dies Philipp Jakob Baudrexel, der 1627 in Füssen geboren war. Der Fuldaer Fürstabt Kardinal Bernhard Gustav Markgraf von Baden-Durlach hatte ihn als Konzertmeister und Hofkaplan nach Fulda geholt. Baudrexel hat zahlreiche Messen, Motetten, Psalmen, deutsche Lieder und Singspiele komponiert.

Neben dem Hoforchester bestand damals auch ein eigenes Domorchester unter Leitung eines Rector Chori. Nach dem Neubau des Fuldaer Domes 1712 wurde bei festlichen Gottesdiensten gelegentlich auch die Hofkapelle zur Verstärkung des Domorchesters eingesetzt. Das Domorchester selbst hatte allerdings – im Gegensatz zum Hoforchester – keinen sehr guten Ruf, wie aus zeitgenössischen Berichten zu entnehmen ist. Auch die Orgelmusik spielte damals in Fulda keine größere Rolle. (Mehr dazu in der Orgelgeschichte Fuldas, welche im 17. Jahrhundert ihren eigentlichen Aufschwung erlebte.)

Fürstabt Adolph von Dalberg errichtete 1734 in Fulda eine Universität, bei deren Einweihung die Hofkapelle mit einer „feierlichen und klangvollen Musik“ beteiligt war. Damals war Johann Baptist Pauli Konzertmeister in Fulda: auch er hat eine Reihe von Kompositionen geschaffen, z.B. 1728 eine Messe in D-Dur, die erhalten ist; auch als Komponist von „Schul-Comödien“ íst er bekannt geworden, die in der Fuldaer Universität durch Studenten der Jesuitenschule aufgeführt wurden. Pauli war ein Freund Bachscher Musik. Er hat auch für Fulda Notenmaterial beschafft, denn in Fuldaer Inventar-Verzeichnissen taucht der Namen Bach einige Male auf.

Im Jahre 1724 wurde Aurelius Pistorius als Cembalist in Fulda eingestellt, 1735 als Konzertmeister. Sein Gehalt betrug anfangs 80 Gulden jährlich, dazu kamen Naturalleistungen wie Dienstkleidung, 4 Malter Korn und 3 Klafter Brennholz. Ab 1741 erhielt er 130 Gulden und Naturalien. (Damals war etwa ein Gulden für den Lebenunterhalt einer Familie pro Tag nötig, deshalb waren Naturalien lebenswichtig.) Aurelius Pistorius wird als tüchtiger Konzertmeister und „beliebter Componist“ bezeichnet. Die Noten seiner Kantate „Sylvicolae Napeae“ sind in der Landesbibliothek Fulda erhalten. (Diese Kantate wurde beim Stadtjubiläum 1994 in Fulda unter Leitung von Harald Kraus wieder aufgeführt und auf CD aufgenommen). Pistorius starb am 6. Juli 1780 in Fulda.

Für die Musik, die bei fürstlichen Staatsaktionen und Feierlichkeiten für den festlichen Glanz zu sorgen hatte, gab es am Fuldaer Hof auch eine berittene Bläsergruppe. Sie war zunächst mit vier Trompeten, zwei Hörnern und einer Pauke besetzt. Die Hofbläser erhielten jährlich je 45 Gulden, dazu Dienstkleidung und Naturalien, wie Korn und Brennholz. Das war natürlich nicht ausreichend. Um ihr Einkommen aufzubessern, spielten sie auch bei nichthöfischen Anlässen, so zogen sie z.B. an den Tagen nach Neujahr in Fulda und den umliegenden Dörfern von Haus zu Haus und erspielten sich dadurch ein Zubrot. Das wurde ihnen aber 1735 vom Fürstabt als Bettelei verboten.

Zwar hatte man in Fulda nicht die Mittel für ein eigenes Opern-Ensemble. Aber auch die Vokalmusik spielte eine große Rolle, denn in zahlreichen Belegen der Hofrechnung sind Ausgaben für Lieder und Arien aufgeführt, z.B. von Pergolesi, Gluck, Brixi, Hasse u.a. Für szenische Auftritte ließ 1731 der Fürstabt eine transportable Bühne erstellen und lud von Zeit zu Zeit auch wandernde italienische Bühnengruppen ein. Für Gesangs-Vorträge wirkten hier bis 1737 zwei Kastraten, also männliche Soprane und Alte, die mit je 80 Gulden Sold und Naturalien jährlich versorgt waren.

Aufschwung der Hofmusik unter Amand von Buseck

Von 1737 bis 1756 regierte in Fulda Amand von Buseck, zunächst als Fürstabt. Buseck erhöhte die Barbesoldung der Musiker von 45 auf 60 Gulden jährlich, auch die Naturalleistungen wurden erhöht. Die Besoldung des Konzertmeisters Pistorius wurde von 80 auf 130 Gulden aufgestockt. Auch erweiterte er die Kammerbesetzung nach 1746 um einige Spieler. Buseck schaffte dann das Kastraten-Unwesen ab und stellte normale Sängerinnen und Sänger ein. Es ist nicht bekannt, welche Sopranistinnen am Fuldaer Hof aufgetreten sind, oder in der Fuldaer Stadtpfarrkirche, wo der Fürstabt der Erzdekan war. Einen Hinweis darauf bietet eine Notiz auf einem Arienblatt, wo vermerkt ist „M. A. T. Zahn“, also Maria Anna Thesesia Zahn – das war die Tochter des damaligen Hofmusikers und Stadtkantors Johann Balthasar Zahn.

Amand von Buseck hatte 1750 Johann Balthasar Zahn von Lohr nach Fulda geholt, der als Organist und Kantor der Stadtpfarrkirche tätig war und auch als Geiger bei der Musik am fürstlichen Hof mitzuwirken hatte. Zahn hat eine größere Sammlung von Musikalien hinterlassen, darunter Werke von Pergolesi, Galuppi, Hasse, Jommelli, Anton Filts u.a. Einige dieser Kompositionen sind erhalten, teils in der Landesbibliothek Fulda, teils anderswo: seine Arie „Alma Redemptoris Mater“ liegt als Handschrift in der Universitäts-Bibliothek Frankfurt und sein „Concerto pastorello“ in D-Dur in der Kongressbibliothek zu Washington.

Im Jahre 1752 wurde Fulda ein selbstständiges Bistum, und Amand von Buseck war der erste Fürstbischof. Diese Rangerhöhung erforderte auch musikalisch eine entsprechend großartigere Repräsentation im kirchlichen und weltlichen Bereich. Deshalb verpflichtete er 1753 den angesehenen Geiger Kaspar Staab aus Damm bei Aschaffenburg als zweiten Konzertmeister und Sologeiger. Buseck schickte ihn zur weiteren Ausbildung nach Mannheim. 1760 wurde Staab dann zum ersten Konzertmeister in Fulda ernannt. Er genoss hier großes Ansehen, bildete demnach in etwa eine Ausnahme, denn normalerweise galten Hofmusiker als Lakaien und wurde auch entsprechend behandelt und bezahlt.

Höhepunkt der Hofmusik unter Bibra und Harstall – und das Ende

Fürstbischof Amand von Buseck starb 1756. Sein Nachfolger Adalbert von Walderdorff regierte nur zwei Jahre: von 1757 bis 1759. Die Hofmusik hatte damals einen schweren Stand, denn es war die Zeit des Siebenjährigen Krieges, der für das Fürstbistum Fulda große Belastungen durch Truppendurchzüge, Einqartierungen und Kriegssteuern brachte.

Seinen Höhepunkt erreichte das Fuldaer Hoforchester dann unter Fürstbischof Heinrich von Bibra, der von 1759 bis 1788 regierte. Ihm gelang es, das Hoforchester zu einem angesehenen Klangkörper auszubauen. Er stellte bevorzugt jene Lakaien ein, die auch als Streicher oder Bläser im Hoforchester mitwirken konnten: So wuchs die Anzahl der Spieler bald auf 20 bis 25 an. Auch hiesige Musiker waren im Hoforchester tätig, z.B. Kaspar Fischer aus Borsch, Johannn Gärtner und Joseph Hofmann aus Petersberg, Georg Adam Schmitt aus Tann, Nikolaus Kött aus Spahl, Johann Göbel aus Zella und auch einige Musiker aus der Stadt Fulda selbst.

1764 wurde für Friedemann Bach, den ältesten Sohn von Johann Sebastian Bach, vom Fuldaer Fürstbischof die Stelle als Stiftsorganist angetragen, die Bach aber aus unbekannten Gründen nicht angetreten hat. Die Sache ist unklar, da anscheinend keinerlei Akten darüber vorliegen. Wir wissen von dieser Sache nur aus einem Brief Bachs. Die Absage lag möglicherweise daran, dass Friedemann Bach protestantisch war und nicht konvertieren wollte.

Bei der Behandlung seiner Hoftrompeter hatte Fürstbischof Bibra keine sehr glückliche Hand. Die Trompeter waren mit 80 bzw. 100 Gulden jährlich unterbezahlt. Sie wandten sich deshalb 1765 an den Fürstbischof und baten um eine Gehaltserhöhung, andernfalls wollten sie nicht mehr in Fulda spielen. Statt der erhofften Gehaltserhöhung wurden sie aber aus dem Dienst entlassen, und an ihrer Stelle wurden neue Bläser eingestellt, die nun jährlich 150 Gulden und ausreichende Naturalien erhielten. Da sich zwei in Ungnade Entlassene, nämlich Johann Adam Kreß und Johann Göbel, reumütig für ihre „Untat“ entschuldigten, wurden sie wieder eingestellt, allerdings zu ihrem alten Salär.

Unter Adalbert von Harstall, der seit 1788 Fürstbischof war, konnte das Hoforchester sein hohes Niveau noch halten. Es verfügte damals über folgende Besetzung: I. und II. Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass, ferner Trompeten, Hörner, Oboen, Klarinetten, Traversflöten und Fagotte, dazu kamen ein Cembalo. Die Musiker waren vielseitig und beherrschten oft mehrere Instrumente. Der Fuldaer Hof besaß auch eine umfangreichen Notenbibliothek. Das Repertoir war anspruchsvoll und vielseitig. Besonders aufschlussreich ist ein Noten-Verzeichnis aus dem Jahre 1788. Hier sind aufgeführt: 193 Sinfonien, 41 Konzerte (z.B. für Violine, Trompete, Horn, Oboe, Fagott), ferner weltliche und geistliche Vokalmusik, sowie Unterhaltungs- und Tanzmusik. Es sind hier fast alle Komponisten der damaligen Zeit vertreten, neben Bach, Haydn, Mozart und Beethoven auch besonders Werke der Mannheimer Frühklassik, die in Fulda zahlreich vertreten waren, z.B. Werke von Johann Stamitz, Franz Xaver Richter, Christian Cannabich und anderen. Die Beziehungen Fuldas zur Mannheimer Frühklassik zeigten sich auch darin, dass begabte Fuldaer Hofmusiker auf fürstliche Anordnung hin in Mannheim ausgebildet wurden.

1792 wurde der Cellist und „Kammervirtuose“ Karl Ignaz Hemmerlein an den Fuldaer Hof berufen. Nach dem Tode des Kaspar Staab wurde Hemmerlein 1798 sein Nachfolger als Konzertmeister. Nach Auflösung der Hofkapelle im Jahre 1806 erhielt Hemmerlein in Fulda die Stelle eines Salinen-Rentmeisters. Pensionierten Hofdienern wurden solche Stellen damals übertragen. 1794 kam Michael Henkel als Musiker an den Fuldaer Fürstenhof. Er wurde Kantor an der Stadtpfarrkirche und am Dom und hat für das Musikleben in Fulda wertvolle Impulse gegeben.

Im Jahre 1803 wurden Kloster und Hochstift säkularisiert, gingen also in weltliche Hände über: Neuer weltlicher Fürst in Fulda wurde Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau. Er ließ das Hoforchester weiter bestehen. Bei seiner Einführung in Fulda spielte das Orchester ein größeres Konzert, bei dem an den Pauken der damals 96jährige Heinrich Frank und sein 60jähriger Sohn standen. Das Hoforchester bestand bis 1806, als mit dem Ende der oranischen Herrschaft auch das Ende des Fuldaer Orchesters kam. Die Instrumente wurden z.T. verkauft, manche Noten kamen zum Altpapier. Im Laufe der Zeit tauchten jedoch manche Notenbestände wieder auf: So erwarb die amerikanische Kongressbibliothek 1910 eine Sammlung von Fuldaer Handschriften vom Berliner Musikalienhändler Leo Liepmannssohn, der einen Teil der Notensammlung von Heinrich Henkel übernommen hatte, darunter Werke von Michael Henkel, Kaspar Staab und Balthasar Zahn. Im November 1932 übergab Sophie Henkel der Landesbibiothek Fulda den musikalischen Nachlass ihres Vaters Heinrich Henkel, in dem sich auch handschriftliches Material ihres Großvaters Michael Henkel befand. 1932 konnte die Fuldaer Landesbibliothek aus einem Berliner Antiquiariat die Sammlung Zahn erwerben und 1994 die „Festouvertüre“ von Michale Henkel aus dem Nachlass des Fuldaer Musikschulleiters Gottfried Leber.

-Nach der Auflösung des Hoforchesters 1806 entstand unter der Leitung von Michael Henkel in Fulda ein bürgerliches Orchester, das aus einheimischen Musikern und ehemaligen Hofmusikern bestand. Es spielte Konzerte in der Orangerie des Schlosses und im städtischen Ballhaus – nun erstmalig für die gesamte Bevölkerung, also auch für die Fuldaer Bürgerschaft. Diese Konzerte wurden auch von den damals durchziehenden französischen Offizieren besucht und brachten den Musikern einigen pekuniären Gewinn.

Um diesem Orchester einen festen Rahmen zu geben, gründete Michael Henkel im Juli 1808 die „Harmonische Gesellschaft“, die dann zahlreiche Konzerte durchführte, z.B. 1809 „sechs Winterkonzerte“. Leider sind die Programme nicht bekannt. Man kann aber vermuten, dass das Repertoir dasselbe war wie bei der ehemaligen Hofkapelle – also mit Bevorzugung der Mannheimer Komponisten.

1810 gehörte Fulda zum Großherzogtum Frankfurt. Der neue Regent, Fürstprimas Karl von Dalberg, gab damals Michael Henkel den Auftrag, in Fulda regelmäßig jeden Donnerstag Konzerte zu veranstalten, sogenannte „musikalische Academien“. Dalberg war ein musikbegeisteter Regent, der die Orangerie des Schlosses für Veranstaltungen zur Verfügung stellte: einen Saal für Theateraufführungen und Konzerte und einen Saal für Tanzveranstaltungen. Karl von Dalberg besuchte bei seinen Aufenthalten in Fulda regelmäßig Theater und Konzerte.

Damals bestanden in Fulda drei musische Vereine: der Theaterverein, der Leseverein und das Orchester der Harmonischen Gesellschaft. 1811 vereinigte der Fuldaer Hofarchitekt und Lyceumslehrer Clemens Wenzeslaus Coudray diese drei Vereine zu einem Kulturverein unter der neuen Bezeichnung „Verein der Musenfreunde“, auch „Musenverein“ genannt, der dann in der Orangerie regelmäßige Konzerte, Lese- und Literaturabende, Theater und Tanzveranstaltungen durchführte. Henkel leitete nach wie vor dieses Orchester, so z.B. 1811 bei einem Konzert zum 50jährigen Priesterjubiläum des ehemaligen Fürstbischofs Adalbert von Harstall. Auch die Trauerfeier zum Tode Bischof Adalberts im Jahre 1814 gestaltete Michael Henkel. Der Musenverein war auch bei politischen Veranstaltungen aktiv: so wurde bei der „Siegesfeier“ im Oktober 1814 ein großer Ball „mit Lustbarkeiten“ durchgeführt. Erwähnenswert ist ein Konzert im Jahre 1816, bei dem Heinrich Joseph Wassermann aus Schwarzbach (Hofbieber-Schwarzbach) als Violin-Solist mitwirkte und eigene Kompositionen aufführte. Der Musenverein fiel aber wieder in seine ursprünglichen drei Gruppierungen auseinder, als Coudray 1816 Fulda verließ.

Als 1816 der hessische Kurfürst neuer Regent in Fulda und somit Besitzer des Schlosses und der Orangerie wurde, mussten der Leseverein und das Orchester das Orangerie-Gebäude wieder räumen. Der Konditor Pult baute daraufhin einen Saal (heute das Gebäude Pauly), in dem dann alle musischen und geselligen Veranstaltungen stattfanden.

Henkel gründete 1823 auch die Fuldaer Stadtmusikanten, die bei kirchlichen und weltlichen Anlässen mitzuwirken hatten. Beim Tode Michael Henkels 1851 löste sich die Gruppe der Fuldaer Stadtmusikanten auf, und deren Aufgaben gingen auf andere Musikanten über.

Ein kurzer Hinweis auf die soziale Lage der Fuldaer Musikanten, die sehr arm waren: In der Mitte des 19. Jahrhundert war ihre Not besonders groß, denn die Missernten der Jahre 1845 bis 1847 hatten eine Teuerung hervorgerufen, die sich vor allem auf lebensnotwendige Güter erstreckte. 1853 wurden in der „Armenliste“ der Stadt Fulda 78 Musikanten-Familien als Almosenempfänger aufgeführt. Der Fuldaer Oberbürgermeister schrieb damals: „Die Musikanten befinden sich das Jahr hindurch oft 10 Monathe auf Reisen. Mit welchen Entbehrungen in dieser Zeit ihre Familien zu kämpfen haben, hierüber wird ein Blick in deren Leben mehr als genügend Aufschluß geben.“

1832 war in Fulda der Bürgerverein gegründet worden, der sich auch musikalisch betätigte. So wurde der Versuch gemacht, ein kleines Bürgervereins-Orchester zu gründen, dem aber keine lange Lebensdauer beschert war. Eine Zeitlang bestand im Bürgerverein eine Chorgruppe, das „Harmonische Kränzchen“, das dann in der Fuldaer „Liedertafel“ aufging. Der Bürgerverein war jahrzehntelang ein kultureller und geselliger Mittelpunkt der Stadt. Er wurde dann in der Nazizeit verboten.

Das Musikleben in Fulda nach 1870

Rhöner Musikanten im 19. Jh. (Zeichnung von H. Trautmann)
Rhöner Musikanten im 19. Jh. (Zeichnung von H. Trautmann)

1871 entstand die „Fuldaer Stadtkapelle“ unter Leitung von Georg Simon, die aus Streichern und Bläsern bestand und bei zahlreichen örtlichen Veranstaltungen auftrat, z.B. bei den sommerlichen Garten- und „Promenaden-Konzerten“, deren Kosten aus Sammlungen gedeckt wurden. Natürlich war die Stadtkapelle auch bei Tanzmusik-Veranstaltungen wie Kirmes oder Fastnacht aktiv. Nach Georg Simons Tod 1890 wurde die Stadtkapelle von Ernst Wienecke und später von Johann Neurath geleitet. Die Stadtkapelle war vor allem in der garnisonslosen Zeit Fuldas – zwischen 1871 und 1891 – viel beschäftigt. Nach 1891 wurden in Fulda wieder stärker die Militärkapellen bevorzugt, was den einheimischen Musikanten große finanzielle Einbußen einbrachte.

Seit 1871 gab es in Fulda auch einen Orchesterverein, der sich aus Fuldaer Musikern und ehemaligen Militärmusikern zusammensetzte. Die Leitung hatte 10 Jahre Jahre lang der Gutsbesitzer Karl Souchay aus Künzell. Souchay war in Frankfurt in Gesang und Direktion ausgebildet worden und war ein vortrefflicher Musiker und Musiklehrer. Auch seine Frau trat mit ihrem Mezzosopran häufig in Konzerten auf. Die Programme umfassten Werke der Klassik und Romantik. Das Konzert am 8. Dezember 1871 hatte z.B. folgende Titel im Programm: die Ouvertüre „Don Juan“ von Mozart, die Londoner Sinfonie von Haydn, die Violinsonate Nr. 5 von Beethoven, ein Duett von Mendelssohn und die Variationen für Clarinette von Hübner.- Das Konzert am 31. Januar 1872 brachte die Fuldaer Erstaufführung der 2. Sinfonie von Beethoven. In diesem Jahr fanden zwei weitere Konzerte statt, u.a. mit Liedern des in Fulda geborenen Komponisten Wilhelm Hill. 1873 folgte die Fuldaer Erstaufführung von Beethovens 8. Sinfonie.

Der Orchesterverein schloss sich 1875 mit der damals neu gegründeten „Museums-Gesellschaft“ zusammen, die in Anlehnung an den früheren „Musenverein“ entstanden war. Das Orchester stand ebenfalls unter Souchays Leitung und wurde „Museums-Orchester“ genannt. Zur ersten Hauptversammlung des „Museums“ wurde Händels „Halleluja“ aufgeführt: Mitwirkende waren der Chor „Cäcilia“ (der Vorgängerchor der heutigen „Winfridia“) und das neue Museums-Orchester. Das Konzert am 3. Januar 1876 brachte Werke von Mendelssohn und Schubert. Am 3. November 1876 stand Schuberts „Unvollendete“ auf dem Programm. Beethovens Vierte wurde 1877 in einer Fuldaer Erstaufführung geboten – für eine Kleinstadt wie Fulda, die damals etwa 9000 Einwohner zählte, eine beachtliche Leistung! 1878 wurden Lieder von Brahms aufgeführt, z.T. als hiesige Erstaufführungen; 1879 waren Werke des Fuldaer Musikers Wilhelm Hill Hauptbestandteil eines Musikabends.

Gut besucht war das Konzert des Museums-Orchesters am 13. November 1879, als Sophie, Heinrich und Karl Henkel aus Frankfurt, Nachkommen des Fuldaer Kantors Michael Henkel, hier Werke von Bach, Mozart, Beethoven, Brahms und Mendelssohn aufführten. Am 25. November 1880, zum hundertjährigen Geburtstag von Michael Henkel, wurden dessen Festouvertüre und seine Kantate „Lob der Harmonie“ mit großem Erfolg hier aufgeführt, neben Werken von Mozart und Mendelssohn. Mitwirkende waren wieder Sophie und Karl Henkel.

1881 erkrankte Souchay und zog nach Marburg. Nach seinem Weggang leitete Hauptlehrer Fritz zwei Jahre lang das Orcherster. Dann übernahm Domorganist Ferdinand Rübsam die Leitung. Zwischen 1882 bis 1899 sind über hundert Veranstaltungen verzeichnet. Rübsam führte z.B. 1882 dreimal das „Weihnachtsoratorium“ des Fuldaer Komponisten Heinrich Fidelis Müller auf. 1883 erklang die Festouvertüre von Michael Henkel; 1887 das Konzert für 3 Klaviere von Bach.

Unter den einheimischen Kräften ragten damals der Eisenbahndirektor Oestreich als Geiger und die Damen Wiskemann und Ostermann als Pianistinnen besonders hervor. Viele musizierende Menschen Fuldas standen damals im Dienste des Museums-Orchesters, u.a. die Familie Jacobson, die häufig als Sponsor auftrat und deren Haus stets allen Künstlern offenstand.

Ende der achtziger Jahre werden die Gymnasiallehrer Wagner, Giger und Löber als Dirigenten des Museums-Orchesters genannt. Unter Löbers Leitung bildete sich damals für kurze Zeit auch ein Kammerorchester, das aber keinen langen Bestand hatte.

Im Jahre 1890 übernahm Gottfried Leber die Leitung des Museums-Orchesters. Fast 40 Jahre lang wirkte Leber in Fulda, auch als Dirigent der „Liedertafel“, der „Winfridia“ und der „Cäcilia“. Außerdem leitete er ein eigenes Konservatorium. Seit 1892 fanden die Konzerte im neu erbauten Bürgervereinshaus in der Rabanusstraße statt. 1894 kamen hier u.a. Werke aus Bachs Matthäuspassion zur Aufführung. Damals plante man für größere Konzerte den Bau eines großen Stadtsaales, der im Jahre 1900 als Erweiterung der Orangerie erstellt wurde.

Zum 25jährigen Jubiläum des Museums-Vereins im Jahre 1900 musizierte hier eine Militärkapelle aus Erfurt, da das Fuldaer Orchester damals aus unbekannten Gründen nicht spielbereit war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bestimmten überhaupt mehr und mehr die Militärkapellen aus Fulda, Kassel und Meiningen das Musikleben Fuldas. Deshalb geriet das Museums-Orchester mehr und mehr ins Abseits.

Nach dem Ersten Weltkrieg 1919 vereinigten sich das Museums-Orchester und der gemischte Chor „Cäcilia“ unter Gottfried Lebers Leitung zu einem „Oratorien- und Konzertverein“, der in der Folgezeit Kantaten und Oratorien zur Aufführung brachte. Daneben entstand 1919 unter Leitung von Eugen Mehler das „Fuldaer Symphonie-Orchester“, das sich auf das sinfonische Repertoir stützte. Mehler führte in Fulda alle Beethoven-Symphonien auf. Bei der Aufführung der Neunten wirkte der Fuldaer Oratorienverein mit. Nach Mehlers Weggang nach Weimar im Jahre 1920, wo er Opernregisseur wurde, wurde der Militärmusikmeister Richard Hewers Dirigent des Fuldaer Symphonieorchesters. 1933 übernahm der Militärmusiker Lorenz Rohde die Leitung. Er bevorzugte aber – politik- und zeitbedingt – sein „Trompeterkorps der Artillerie-Abteilung“. So kam bald das Ende des Fuldaer Sinfonie-Orchesters.

©1997 G. Rehm
Näheres über diesen Themenbereich im Buch von Gottfried Rehm „Musikantenleben – Beiträge zur Musikgeschichte Fuldas und der Rhön im 18. und 19. Jahrhundert“, 419 Seiten, 22 Abbildungen, Orts- und Personenregister, Verlag Parzeller Fulda 1997, 61. Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins