Herzlichen Dank an Herrn Prof. Gottfried Rehm für die informativen und unterhaltsamen Artikel, die er uns freundlicherweise für diese Rubrik zur Verfügung gestellt hat!
Fulda und das Hildebrandslied
Literatur und Musik haben in Fulda eine lange Tradition: Das Kloster Fulda war im 8. und 9. Jahrhundert einer der kulturellen Mittelpunkte Europas. Im Zusammenhang mit der Karolingischen Renaissance spielten hier auch germanische Heldenlieder eine Rolle: So ist uns ein kostbares Zeugnis der althochdeutschen Literatur nur in einer Abschrift des Klosters Fulda überliefert: die Sage des „Hildebrandliedes“. Zwei fuldische Mönche haben es um das Jahr 830 nach einer niederdeutschen Vorlage auf die inneren Umschlagseiten einer theologischen Handschrift in ostfränkischen Mundartformen abgeschrieben. Dieser wertvolle alte Fuldaer Text und andere bedeutende Schriften der Fuldaer Klosterbibliothek wurden von den Hessen im Dreißigjährigen Krieg entwendet und liegen heute in der Bibliothek der Gesamthochschule Kassel.
Das Hildebrandslied schildert die Rückkehr Hildebrands, des Waffenmeisters Dietrichs von Bern, nach 32jährigem Aufenthalt am Hofe des Hunnenkönigs Etzel. Beim Zusammentreffen seines Heeres mit der Gefolgschaft seines Sohnes Hadubrand erkennt der Sohn seinen Vater nicht und hält ihn für einen feindlichen Eindringling. Es kommt zu einem erbitterten Kampf zwischen Vater und Sohn. Im „älteren Hildebrandslied“ erschlägt dabei der Sohn seinen Vater. Zwar ist der Schluss des Originals nicht erhalten, aber die dramatische Anlage kann nur auf ein tragisches Ende der Handlung hinweisen. Der jüngere Sagentext, der um 1200 entstanden ist, bringt dagegen einen versöhnlichen Ausgang.
Der in dieser und anderen Sagen genannte Dietrich von Bern ist der historische Ostgotenkönig Theoderich, und das Bern der Sage ist Ravenna. Theoderich und seine Ostgoten hatten 489 den römischen Kaiser Odoaker besiegt und vertrieben, und Theoderich errichtete dann in Oberitalien ein mächtiges Reich. Die Hildebrandssage stellt die Geschichte jedoch anders dar: Danach wurden Theoderich, Hildebrand und die Goten aus Italien vertrieben, die zu Etzel flohen und konnten erst nach 32 Jahren wieder in die Heimat zurückkehren, was historisch falsch ist. (Näheres zum Hildebrandslied in den Fuldaer Geschichtsblättern 1921 und 1955.)
Hier eine einfache, kurze Neufassung des jüngeren Hildebrandsliedes:
Ich will zu Land ausreiten, sprach Meister Hildebrand,
den weiten Weg bestreiten nach Bern ins Heimatland.
Der Weg ist weit nach dorten und den will ich nun fahr’n,
er ist mir unkund g’worden in 32 Jahr’n.
Als er zum Rosengarten kam in des Berners Land,
von einem jungen Helden ward er da angerannt:
Den Weg der ihm versperrte und gab ihm einen Schlag,
dass Hildebrand der Alte zurückwich und erschrak.
Da nun der Kampf entbrannte, rief Hildebrand: Halt ein!
Verteidigst du die Lande, wer magst du da wohl sein?
Der sprach: die Eltern heißen Ute und Hildebrand,
den Vater ich nicht kenne, und ich bin Hadubrand.
Der Alte rief: Dann bist du mein lieber einzger Sohn!
Dass ich erkannt dich habe ist Glück und Rettung schon.
Er nahm ihn in die Arme und küsst ihn auf den Mund:
Gott Lob und Dank gesungen! Wir sind noch beid‘ gesund!
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Graf Poppo und Poppenhausen
Im Jahre 826 schenkte Poppo, der Graf des Grabfeldgaus, ein Rodungsgebiet („Bifang“) am Fluss Lütter und einige Güter mit 13 Hörigen (unfreien Bauern) dem Kloster Fulda. In diesem Bifang Poppos entstand dann die Siedlung Poppenhausen.
Die Schenkung wurde am 1. Februar 826 in einer Urkunde bestätigt, deren Wortlaut der Fuldaer Gelehrte Johann Friedrich Schannat veröffentlicht hat. Darin heißt es in Übersetzung: „Ich, Graf Poppo, schenke dem heiligen Bonifatius (dem Kloster Fulda) … zu meinem Seelenheil einen Bifang im Wald Buchonia an einem Fluß gelegen, der Lutraha (Lütter) genannt wird und im Grabfeldgau liegt, voll und ganz, was immer ich im Umfang jenes Bifangs in Besitz habe an Feldern und Wäldern, an Gärten, Gebäuden, Wiesen, Weiden, Gewässern oder Wasserläufen, Vieh und Hörigen.“
Dann werden die Namen dieser Hörigen genannt: Wolfmunt, Zitger, Berolf, Rodmunt, Bernger, Musgo, Sito, Thragabold, Vuottizo, Lantburg, Thiurhilt, Sconea und Waldger. Diese 13 Hörigen wurden „mit all deren Hausrat“ verschenkt.
Abschließend heißt es in der Urkunde: „Diese Schenkung wurde vorgenommen im Kloster Fulda im 13. Jahr der Regierung Ludwigs, des Kaisers der Franken, an den Kalenden des Februar“, also am 1. Februar 826. (Näheres von Michael Mott in den Buchenblättern, Beilage der Fuldaer Zeitung, Nr.12/1994.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
König Konrads Grab in Fulda
Fulda besitzt ein Königsgrab: Im Dom zu Fulda liegt seit 918 Konrad I. begraben, der erste König des ostfränkisch-deutschen Reiches. Bei der Dreiteilung des großfränkischen Reiches Karls des Großen im Jahre 843 war „Ostfranken“ entstanden, aus dem Deutschland hervorgegangen ist. (Aus „Westfranken“ ist Frankreich entstanden, und als drittes Teilreich entstand damals ein Mittelreich mit „Lotharingien“ und Italien.) Die ersten Könige des ostfränkischen Reiches waren die Karolinger Ludwig der Deutsche (+ 876) und sein Sohn Ludwig der Jüngere (der III., + 882), die im ehemaligen Benediktinerkloster Lorsch in Hessen begraben liegen. (Da das Kloster Lorsch zerstört ist – es steht nur noch die Torhalle – sind auch die Königsgräber dort nicht mehr erhalten.) Die letzten Könige aus der karolingischen Dynastie im ostfränkischen Reich waren König Arnulf (+ 899) und dessen Sohn, König Ludwig das Kind (+ 911), die In Regensburg (St. Emmeran) begraben sind, wo sie auch residiert hatten.
Ihnen folgte 911 Konrad, der Graf des fränkischen Lahngaus. Er wurde von den ostfränkischen Fürsten als erster Nicht-Karolinger zum ostfränkisch-deutschen König gewählt, so könnte man ihn als den ersten eigentlichen deutschen König bezeichnen. Er regierte von 911 bis 918 und wurde auf eigenen Wunsch hin in Fulda begraben. Seine Begräbnis-Stätte befand sich vor dem Kreuzaltar der alten Stiftskirche. Heute ist die Lage seines Grabes jedoch nicht mehr genau auszumachen. Nur eine Gedenktafel aus Sandstein im hinteren Zwischenjoch des linken Seitenschiffes weist auf ihn hin. Die Inschrift ist lateinisch und beginnt „Conradus Rex“; sie lautet auf deutsch: „König Konrad starb am 10. Januar 918. Er wurde im Kloster Fulda beim Altar des heiligen Kreuzes begraben.“
Die berühmteste Grablege Deutschlands befindet sich bekanntlich im Dom zu Speyer, wo acht römisch-deutsche Kaiser und Könige begraben sind: die Salier-Franken Konrad II., Heinrich III., Heinrich IV. und Heinrich V., ferner Philipp von Schwaben, Adolf von Nassau, Rudolf von Habsburg und sein Sohn Albrecht von Habsburg.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Abt Hatto und Kaiser Otto III.
1994 war für Fulda ein historisches Jahr: am 12. März konnte Fulda seinen 1250. Geburtstag als Jubiläum der Gründung des Klosters Fulda im Jahre 744 begehen. Was geschah aber in Fulda 250 Jahre nach der Gründung, also im Jahre 994? Der damalige Fuldaer Abt war Hatto III, der 991 zum Abt gewählt und von Kaiser Otto III. eingesetzt worden war.
Otto stand damals noch unter der Vormundschaft seiner Mutter Theophanu und seiner Großmutter Adelheid. Abt Hatto war anscheinend der Mitarbeiter und Vertrauter des jungen Kaisers. Im September des Jahres 994 nahm Abt Hatto am Reichstag in Solingen teil, auf dem unter anderem Otto III. für volljährig erklärt wurde. Hatto wurde nun von Kaiser Otto beauftragt, die Beschlüsse dieses Reichstages dem Papst zur Kenntnis zu bringen. Hatto schloss sich also im Oktober 994 einer päpstlichen Gesandtschaft an, die vom Hof Ottos aus den Rückweg nach Rom antrat.
Nach Überbringung seiner Botschaft an Papst Johannes XV. wurde Hatto, dem bis dahin die kirchliche Weihe noch fehlte, vom Papst in Rom zum Abt geweiht, er war somit der erste Fuldaer Abt, der seine Weihe durch einen Papst erhalten hat. Am 31. Oktober 994 bestätigte ihm der Papst auch die bisherigen Privilegien und erlaubte ihm, beim Gottesdienst Kardinalsornat zu tragen, also Dalmatik und liturgische Sandalen. Der Fulder Abt stand also unter allen Äbten des römisch-deutschen Reiches an erster Stelle. Wahrscheinlich wurde zwischen dem Papst und Abt Hatto dabei auch über die bevorstehende Kaiserkrönung Ottos III. verhandelt.
Ob Hatto an der Kaiserkrönung im Jahre 996 in Rom auch selbst teilgenommen hat, ist allerdings nicht bekannt. Hatto starb bereits 997, kurz nachdem er vom kaiserlichen Hof nach Fulda zurückgekehrt war. (Näheres bei Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Heinrich IV. und das „Wildbann-Gebiet“
Im Jahr 1059 verlieh der Vormund des Kaisers Heinrich IV. den „Wildbann“ eines größeren Gebietes in Buchonien dem Kloster Fulda, also die Jagd- und Forstrechte. Diese „Wildbann-Schenkung“ erfolgte, um den Fuldaer Fürstabt an der Seite des Sachsenkaisers zu halten. Die Schenkung wirkte sich im Laufe der Zeit für das Kloster Fulda wie ein Territorial-Erwerb aus und war der Kern des fuldischen Staatsgebietes.
Zwar gehörten bereits vor 1059 zahlreiche kleinere und größere Einzelbesitzungen in Rhön und Vogelsberg zum Kloster, sie lagen aber verstreut und hingen meistens nicht zusammen. Doch nun schuf diese Schenkung aus einzelnen Streubesitzungen ein zusammenhängendes Gebiet: Es reichte im Norden bis Odensachsen, im Osten bis Haselstein, (Soisdorf und Rasdorf waren bereits fuldisch), weiter bis Lahrbach und zum Ellenbogen, umfasste dann das spätere Amt Sondheim (das allerdings 1366 wieder verloren ging), führte im Süden von Oberelsbach zum Dammersfeld und weiter bis Kissingen und Hammelburg (das Fulda bereits seit 777 besaß); im Westen reichte das Gebiet bis Orb, Salmünster, Schlüchtern, Herbstein und Schlitz: Somit war ein geschlossenes politisches Herrschafts-Gebiet für das Hochstift Fulda geschaffen worden, das mit einigen Änderungen jahrhundertelang Bestand hatte.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Fuldaer Besitz in den Alpen
Das Kloster Fulda erhielt nach seiner Gründung überall in Deutschland und den umliegenden Ländern reichen Grundbesitz, der zum größten Teil aus Schenkungen herrührte. So hatte das Kloster Fulda schon sehr früh auch Besitzungen an „Land und Leuten“ in den Rätischen Alpen:
Im Umkreis des Dorfes Riom, das zwischen Chur und dem Julierpass bei Savognin liegt, besaß Fulda 12 Höfe, drei Almen, zwei Herbergen und drei Kapellen (Kirchen). Diese Almen waren recht umfangreich und produzierten jährlich je 3000 Käse und je 3 Mastschweine, die zum größten Teil verkauft wurden und dem Kloster einiges an Geld einbrachten.
Der Leiter dieser Güter war immer ein Geistlicher des Klosters Fulda. Diese Besitzungen waren aber auch wichtig für Herberge und Verpflegung der Fuldaer Äbte und ihrer Begleiter auf ihren Reisen nach Rom und zurück. Im Laufe des Mittelalters wurden jedoch alle diese fuldischen Alpen-Besitzungen verkauft.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Die Fuldaer Fürstäbte und Ritter
Die Rhöner Adelsgeschlechter der Schneeberger, Ebersteiner und Ebersberger waren miteinander verwandt. Sie führten die sogenannte fränkische Lilie in ihren Wappen – wie schon der Frankenkönig Chlodwig. Demnach sind sie wohl im Zusammenhang mit der fränkischen Landnahme (vor Kilian und Bonifatius) in die Rhön gekommen und haben hier vom König Besitz an Land und Leuten erhalten mit dem Auftrag, Heerfolge zu leisten und Aufgaben der Verwaltung und der niederen Gerichtsbarkeit zu übernehmen. Neben diesem Adel der Königsvasallen gab es wahrscheinlich hier auch einige wenige unabhängige freie Adelsgeschlechter („Uradel“).
Als der Fuldaer Abt – wie andere geistliche Würdenträger im Reich – im Jahre 1220 auch weltlicher Fürst geworden war („Fürstabt“), versuchte er, die buchonischen Adligen unter seine Gewalt zu bringen. Das führte zu zahlreichen Kämpfen. Auf die Dauer konnten aber die Adligen ihre Selbständigkeit nicht bewahren und mussten sich dem Landesherrn als Vasallen unterstellen.
Neben dem frühen Adel wurde von den Landesherren damals auch ein „Dorfadel“ geschaffen, indem der Landesherr in vielen Dörfern je einen unfreien Bauern mit einem Lehensgut ausstattete, der als berittener Dienstmann („Ritter“) dem Fürsten Kriegsdienste zu leisten hatte. Im Laufe der Zeit wuchsen auch diesem „Dienstadel“ Aufgaben in Verwaltung und niederer Gerichtsbarkeit zu, so dass der „Dorfadel“ bald dem freien „Uradel“ gleichgestellt war. Zu den Vorrechten dieser Ritter gehörte damals u.a., dass sie auf eigene Faust Fehden führen und ihr Recht selbst durchsetzen durften. „Raubritter“ waren sie also nicht.
Der Adel bestand aus zwei Gruppen: Da war zunächst die Reichsritterschaft, das waren jene Ritter, die ihr Lehen vom König bzw. Kaiser erhalten hatten und nur ihm unterstanden; dann gab es den „landsässigen Adel“, also jene Ritter, die einen Landesherrn über sich hatten. So unterstanden dem Fürstabt von Fulda z.B. die Adligen von Angersbach, Erthal, Geismar, Habel, Harmerz, Ketten, Kranlucken, Künzell, Leimbach, Mackenzell, Malges, Marbach, Motzlar, Rasdorf, Spahl, Schleid, Steinhaus, Thalau, Tann, Thulba, Uffhausen, Vacha und andere. Einige dieser Dordadligen behielten ihren ursprünglichen bürgerlichen Namen bei und hängten den Adelsnamen an, so die Schad von Leibolz, die Treusch von Buttlar, die Schenck von Schweinsberg, die Stein von Nordheim, die Riedesel zu Eisenbach und andere.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts waren diesen landsässsigen Vasallen so viel Macht und solche Bedeutung zugewachsen, dass sie sich aus der Abhängigkeit von ihrem Landesherrn zu lösen versuchten. So kam es zu Kämpfen zwischen dem Fürstabt und den Rittern. Der Abtsmord von 1271 steht wohl in diesem Zusammenhang.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Die Schneeberger in der Rhön
Der Hauptsitz der Schneeberger befand sich auf dem Schneeberg, einem Vorberg des Feldberges bei Oberhausen nördlich von Gersfeld – in strategisch günstiger Lage, da von hier aus der Gersfelder Talkessel gut zu überblicken war. Ein Gebiet um Gersfeld war anscheiend freies Eigentum der Schneeberger, also „von niemandem zu Lehen“. Ihre Burg in Gersfeld stand an der Stelle des heutigen oberen Schlosses.
Auch die Fürstäbte von Fulda hatten in Gersfeld Besitzungen, die sie den Schneebergern zu Lehen gaben. Aber auch vom Würzburger Fürstbischof hatten die Schneeberger Lehen in der Rhön, z.B. wurde 1319 Johann von Schneeberg mit einem Burggut in Bischofsheim belehnt. (Bischofsheim und Haselbach gehörten später als würzburgisches Lehen den Ebersbergern.)
1359 erhielt der Fuldaer Fürstabt vom Kaiser das Recht, Gersfeld zur Stadt zu machen und mit Mauern zu umgeben, was der Abt jedoch aus unbekannten Gründen unterließ. 1362 gründeten die Schneeberger in Gersfeld eine Pfarrei, die sie mit einigen Gütern ausstatten. Damals lebten 12 leibeigene Bauernfamilien in Gersfeld.
In der Folgezeit stand das Gersfelder Gebiet im Mittelpunkt verworrener Machtkämpfe zwischen Fulda und Würzburg, da der Fürstbischof von Würzburg das strategisch wichtige Gersfeld in seine Hand zu bekommen suchte. Außerdem fühlte er sich als „Herzog in Franken“ dazu berechtigt. Im Jahre 1402 eroberte der Würzburger Bischof Burg und Stadt Gersfeld, ebenso den Ebersbergischen Besitz in Weyhers. Er wurde aber zurückgeschlagen. 1405 erschien der Würzburger Bischof jedoch erneut vor Gersfeld. Er nahm Hermann von Schneeberg und seine Familie gefangen und übergab Gersfeld an Hans von Steinau-Steinrück. Doch bald gab es Streitigkeiten mit dem Steinrücker, und da sich Hermann von Schneeberg bereit erklärte, sich als Würzburger Vasall zu betrachten, wurde er 1406 als Würzburger Lehensnehmer in Gersfeld wieder eingesetzt.
Trotzdem traute der Würzburger Bischof den Schneebergern nicht. 1428 ernannte er Heinrich von Ebersberg zu seinem Amtmann in Gersfeld. Wilhelm von Schneeberg, der Sohn des Hans von Schneeberg, musste 1435 seinen Gersfelder Besitz an Hans und Eckarius von Ebersberg für 900 Gulden übergeben. Seitdem war Gersfeld als würzburgisches Lehen in der Hand der Ebersberger. 1438 verkauften Hans und Eckarius ihre Besitzungen in und um Gersfeld mit Genehmigung des Bischofs an ihren Vetter Heinrich von Ebersberg.
Der Abt von Fulda besaß im 15. Jahrhundert in Gersfeld nur noch den „Fuldaer Turm“. Er konnte anscheinend 1534 seine Lehnsherrschaft über einem Teil des Gersfelder Gebietes wieder durchsetzen.
Das Stammschloss auf dem Schneeberg und kleinere Besitzungen in der Rhön verblieben zwar in der Hand der Schneeberger, aber ihr Einfluss war gebrochen, da sie Gersfeld verloren hatten. Über ihr weiteres Schicksal ist nur wenig bekannt. Sie sind im Laufe der Geschichte anscheinend ausgestorben. (Buchenblätter 1955, S.13 u.f.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Die Ebersberger und ihr Altar in Fulda
Im Jahre 1237 wurde eine Niederlassung des Franziskaner-Ordens in Fulda gegründet. Das damalige Kloster lag in der Nähe der Fuldaer Stadtpfarrkirche, und dort wurde 1273 auch die Klosterkirche der Franziskaner, die sogenannte Barfüßer- oder Minoritenkirche erbaut (die nicht erhalten ist). Die Franziskaner waren beim Volk sehr beliebt, sowohl bei den Bürgern als auch bei den Adligen. Neben zahlreichen hessischen Ritterfamilien gehörte damals fast der gesamte buchonische Adel zu den Wohltätern des Franziskaner-Klosters.
Dabei standen an erster Stelle die Herren von Ebersberg. Sie hatten in der Fuldaer Barfüßerkirche einen eigenen Altar, an dem regelmäßige Gottesdienste gehalten, die von ihnen gestiftet worden waren. Auch hatten sie in und bei der Kirche ihre Begräbnisstätten. Die Ebersberger ließen an ihrem Altar jährlich 14 Jahresgedächtnis-Messen für ihre Toten lesen. So hatte z.B. 1450 Eberhard von Ebersberg angeordnet, dass sein „Anniversar“ (Jahresgedächtnis) jährlich am Ebersberger Altar zu begehen war, und Hans von Ebersberg stiftete 1477 als sein Jahresgedächtnis jährlich eine „Vigil und Messe“, dazu eine weitere Messe zu Ehren der Himmelfahrt Mariens, und zwar mit „kerttzen uff unser begrebnys und ober unserem altar“. Auch aus der Familie der mit den Ebersbergern verwandten Herren von Eberstein waren zahlreiche Mitglieder auf dem Friedhof der Barfüßerkirche in Fulda beerdigt.
Nach dem Weggang der Franziskaner aus Fulda in der Reformationszeit wurden das Franziskanerkloster und die Kirche dann den Jesuiten übergeben. Inzwischen waren die Ebersberger jedoch protestantisch geworden und gaben ihren Altar in Fulda auf. 1785 wurde auch die Kirche abgebrochen. (Näheres: „Das Hochstift Fulda vor der Reformation“ von Josef Leinweber, Fulda 1972, S. 304.- Weitere Angaben über die Ebersberger in „Leben in der Rhön“ von Gortfried Rehm, Rhön- Verlag Hünfeld, 1997, S. 19-30.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Ebersberger in Bischofsheim und Haselbach
Eine Ebersbergische Seitenlinie, die sogenannte Dietrichsche Linie, residierte seit dem 15. Jahrhundert in Haselbach bei Bischofsheim und besaß auch würzburgische Lehen in Altenbrenda und Bischofsheim. In der katholischen Pfarrkirche zu Bischofsheim vor der Rhön (gemeint ist „vor der Hohen Rhön“) befindet sich das Grabmal des Ebersberger Ritters Hermann: In voller Rüstung mit Schwert und Hellebarde ist er da als Halbrelief in Stein dargestellt. Im umlaufenden Schriftrahmen ist folgender Text eingemeißelt: „Nach icri (Christi) gepurt in virhunert und LXII Jar (1462)/der erpar (ehrbare) und Vest Hermann von Weyhers“. Links oben ist die Ebersberger Lilie und rechts oben die Tanner Forelle angebracht (wohl das Wappen seiner Frau).
Fritz Luckhard hat in seinem Buch „Regesten der Herren von Ebersberg genannt von Weyhers“ u.a. den Lehensbrief zitiert, durch den Hermann von Ebersberg 1461 vom Würzburger Bischof mit acht „Erbgütern“ zu Haselbach belehnt wurde. (Bei jeder Erbnachfolge gab es eine Neubelehnung.)
Die würzburgischen Lehngüter der Ebersberger Dietrichschen Linie in Bischofsheim und Haselbach fielen im 17. Jahrhundert an die Ebersbergische Hauptlinie in Gersfeld.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Die Ebersberger und die „Hersfelder Affäre“
In eine eigenartige Situation wurden die fuldischen Ritter, darunter die Ebersberger, in den Jahren 1516/17 verwickelt, die sogenannte „Hersfelder Affäre“. Die Vorgeschichte dazu begann 1513, als die Abtei Hersfeld mit Fulda vereinigt wurde.
Der Hersfelder Abt Volpert von Riedesel hatte 1513 (wegen eines verlorenen Prozesses gegen die Stadt Hersfeld) sein Kloster in riesige Schulden gestürzt. Deshalb trat er zurück und übertrug seine Abtei dem Fuldaer Fürstabt Hartmann von Kirchberg, und Kaiser und Papst bestätigten diese Einverleibung. Abt Volpert und die Hersfelder Pröpste wurden durch Fuldaer Propsteien entschädigt. Der Landgraf von Hessen(-Kassel), der selbst die Besitzergreifung Hersfelds anstrebte, wollte aber diese „Inkorporation“ Hersfelds durch Fulda nicht zulassen, da er Vogteirechte (Gerichtsrechte) über Hersfeld besaß. Er war aber machtlos, da er noch minderjährig war, und seine beiden Vormünder, der Kurfürst von Sachsen(-Wittenberg) und der Herzog von Sachsen(-Dresden) wollten ihm nicht helfen, da ihnen einen Machtzuwachs Hessens nicht passte.
Jedoch gelang es 1514 der hessischen Landgräfin Anna, der Mutter des jungen Landgrafen, die Vormundschaft über ihren Sohn und die Macht in Kassel an sich zu ziehen. Sie unternahm sofort Gegenschritte, um Hersfeld selbst in die Hand zu bekommen. Sie erhielt dabei Unterstützung durch Georg von Bischofferode, der gegen Fulda militärisch vorging. Bei der damaligen Kriegführung vermieden die Strategen offene Feldschlachten und versuchten, den Gegner durch Raub und Verwüstung seines Landes zu schädigen. Der Krieg wurde also auf dem Rücken der leibeigenen Bauern ausgetragen, die bis aufs Blut ausgeplündert wurden, damit sie ihrem Herrn keine Abgaben und Dienste mehr leisten konnten. Die Landgräfin griff allerdings nicht selbst Fulda an, um nicht der Widersetzlichkeit gegen Kaiser und Papst beschuldigt zu werden.
Der Fuldaer Abt Hartmann kam nun durch die Verwüstung seines Gebietes bald ins Hintertreffen, was er aber nicht einsehen wollte. Die Fuldaer Stiftskapitulare, die anfangs die Fuldaer Inkorporation Hersfelds begrüßt hatten, erkannten jedoch bald, dass Fuldas Stellung nicht zu halten war. Zwischen dem Fuldaer Abt und seinem Kapitel kam es 1516 zum endgültigen Bruch, als der Abt zur Finanzierung seiner Kriegführung eine festgelegte Geldsumme des Klosters antastete. Als die Stiftsherren vom Abt darüber Rechenschaft verlangten, entzog er sich durch die Flucht. Um sich abzusichern, versuchte Abt Hartmann nun, mit der Landgräfin Frieden zu schließen. Er lieferte ihr deshalb 1517 die päpstliche Inkorporationsurkunde aus und verzichtete auf die Hersfelder Abtei.
Die Fuldaer Stiftsherren dachten jedoch nicht daran, Hartmann wieder als Abt anzunehmen. Um dem Fuldaer Land aber den nötigen Schutz zu bieten, schlossen sie ein Bündnis mit den Fuldaer Rittern und ihrem mächtigen Nachbarn, dem Grafen Wilhelm von Henneberg, dem sie vertraglich zusicherten, seinen Sohn Johann als Nachfolger Hartmanns zum Fuldaer Abt zu wählen. Weil Johann damals erst 13 Jahre alt war, übernahmen zwei Fuldaer Stiftsherren inzwischen die Regierungsgeschäfte.
Da immer noch Spannungen mit Hessen bestanden, suchte Johann von Henneberg die Unterstützung durch die fuldischen Ritter. So schrieb er am 1. November 1517 u.a. an Philipp, Balthasar und Eitel von Ebersberg, es sollten sich acht Ebersberger „Reisige“ (Reiter) am Montag nach Trinitatis in Fulda einfinden, auch sollten sich auch „etliche menner“ zur Verfügung stellen, was sie auch taten. In Kämpfe wurden sie aber nicht verwickelt.
Der Fuldaer Abt Hartmann sah bald ein, dass er ausgespielt hatte, und zog sich nach Mainz zurück, wo er 1529 starb. Johann von Henneberg wurde daraufhin wie verabredete zum Abt von Fulda gewählt. (Quelle u.a.: Josef Leinweber: „Das Hochstift Fulda vor der Reformation“.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Sibylla von Ebersberg-Weyhers
Im September 1987 wurde im Wiener Auktionshaus Dorotheum ein Bild angeboten, das eine unbekannte junge Frau des 16. Jahrhunderts im Hochzeitsschmuck (als Brustbild) darstellt. Aufgrund des Familienwappens, einer silbernen Lilie in Blau, wurde die Dargestellte mit großer Wahrscheinlichkeit als Sibylla von Ebersberg-Weyhers identifiziert und das Bild daraufhin von der Fuldaer Kunsthandlung Fuchs ersteigert. Jürgen Zellmer aus Schmalnau rief nun zu einer Spendenaktion auf und konnte das Bild für seine Gemeinde erwerben. Am 16. Oktober 1994 erhielt es im Saal der Gemeindeverwaltung in Ebersburg-Schmalnau einen Ehrenplatz. Jürgen Zellmer hat aus diesem Anlass eine Schrift herausgegeben, die interessante Einzelheiten aus der Ebersberger Geschichte bringt.
Wer war nun Sibylla von Ebersberg genannt von Weyhers? Sie wurde 1578 vermutlich im Gersfelder Schloss geboren. Am 27. Februar 1604 heiratete sie Balthasar Philipp von Mörlau genannt Böhm zu Ürzell (bei Schlüchtern). Sibylla starb bereits 1622 mit 44 Jahren. Sibyllas Vater war Otto Heinrich (Ottheinrich) von Ebersberg genannt von Weyhers, der in alten Urkunden und Akten häufig genannt wird. Er lebte von 1553 bis 1621 in Gersfeld und heiratete 1574 in zweiter Ehe Magdalena Truchsässin von Wetzhausen, Sibyllas Mutter. Diese Hochzeit wurde für 250 Gäste mit großem Pomp gefeiert. (Einzelheiten darüber in den Fuldaer Geschichtsblättern 1956, Nr.10.) Da Magdalena bald starb, heiratete Ottheinrich zum dritten Mal, hatte aber keine männlichen Nachkommen. Aus der zweiten Ehe entstammte auch Sibyllas ältere Schwester Amalie Barbara, die 1574 geboren wurde und dann Otto Heinrich von Bastheim heiratete.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Rhöner Ritter und die Kalenderreform
Papst Gregor VIII. hatte 1582 den ungenauen Julianischen Kalender durch den wesentlich verbesserten Gregorianischen Kalender ersetzt. Denn die alte Julianische Zeitrechnung war im 16. Jahrhundert gegenüber dem tatsächlichen Jahresablauf bereits um 10 Tage zurückgeblieben. Um wieder Kalender und Jahreszeit in Einklang zu bringen, ließ Papst Gregor auf den 4. Oktober 1582 gleich den 15. Oktober folgen – dann wurde nach dem neuen Kalender mit seiner Schaltjahr-Regelung fortgefahren.
Die katholischen Länder übernahmen diesen neuen Kalender, während die evangelischen dies zunächst noch nicht taten. Auch im Hochstift Fulda war der Gregorianische Kalender eingeführt worden. Die fuldischen (buchonischen) Ritter jedoch, die inzwischen mit ihren Untertanen evangelisch geworden waren, zögerten mit der Übernahme. Als im September 1586 der damalige Administrator des Hochstifts Fulda, Erzherzog Maximilian von Österreich, Fulda seinen „Anrittsbesuch“ abstattete, legte er der Ritterschaft dringend nahe, den neuen Kalender aus Gründen der Einheitlichkeit ebenfalls in ihren Gebieten einzuführen. Die meisten Ritter waren damit einverstanden, einige aber waren dagegen, so u.a. Otto Heinrich von Ebersberg genannt von Weyhers zu Gersfeld.
Die Regierung in Fulda versuchte nun, in Einzelgesprächen die verweigernden Ritter vom Nutzen der Kalenderreform zu überzeugen. So erging am 16. Dezember 1588 eine fuldische Einladung auch an Otto Heinrich von Ebersberg zu einem Gespräch in der Fuldaer Kanzlei. Die Fränkischen Ritter, die „Reichsritter“ waren und den neuen Kalender nicht angenommen hatten, rieten Otto Heinrich jedoch, sein Erscheinen in Fulda hinauszuzögern oder sich auf nichts einzulassen. In der Folgezeit übernahmen die fuldischen Ritter zwar die neue Zeitrechnung, in privaten und offiziellen Schreiben datierten aber die meisten schon bald wieder nach dem alten julianischen Kalender – oder verwendeten beide Datierungen gleichzeitig. Im Jahre 1632, als Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel das Stift Fulda mithilfe der Schweden besetzt und übernommen hatte, schafften die buchonischen Ritter – gegen den Willen Wilhelms – den Gregorianischen Kalender in ihren Gebieten offiziell sogar wieder ab.
Erst im Jahre 1700 führten die evangelischen Länder in Deutschland den neuen Kalender ein, England folgte 1752. Russland übernahm den Gregorianischen Kalender 1918, die Türkei 1927 und China sogar erst 1949.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Ebersberger im Vorstand der Rhöner Ritterschaft
Die buchonischen (fuldischen) Ritter erhielten 1631 ihre vorläufige und 1656 die endgültige Reichsfreiheit. Sie schlossen sich als „Buchisches Quartier“ dem fränkischen Ritterkanton Rhön und Werra an. Dem Vorstand des „Buchischen Quartiers“ gehörten auch einige Ebersberger an: dem Ritterrat, zu dem vier Ritter gehörten, war 1645 Lukas von Ebersberg und seit 1694 Johann Christoph von Ebersberg tätig. In den Ausschüssen des Buchischen Quartiers arbeiteten folgende Ebersberger: 1657 Wilhelm Rudolf (1619-1672), der 1672 einer der beiden Truhenmeister (Finanzverwalter) war.
1690 war auch der bereits genannte Johann Christoph von Ebersberg in einem Ausschuss tätig. Im Jahre 1702 folgte Adam von Ebersberg, der 1710 auch Truhenmeister wurde und 1719 Georg Ludwig (1685- 1745), der 1719 ebenfalls Truhenmeister war. Er war dann sogar im Kantonsausschuss tätig. Seit 1765 schließlich arbeitete im Ausschuss des Quartiers Adam Friedrich von Ebersberg (1722-1769); auch er war 1769 einer der Truhenmeister.
Ebersberger saßen auch im Vorstand des Ritterkantons Rhön und Werra. (Das buchische Quartier war ein Teil des Kantons Rhön und Werra, zu dem noch folgende „Quartiere“ gehörten: das Hennebergische, das Saale- und das Main-Quartier.) Ein wichtiges Gremium des Kantons war der vierköpfige kantonale Ritterrat, dem damals zwei Ebersberger angehörten: 1645 der genannte Lukas und 1694 Johann Christoph. Dieser Johann Christoph wurde 1702 zum obersten Ritterhauptmann des Kantons gewählt und hatte dieses Amt 30 Jahre lang bis zu seinem Tode inne. Auch in den Ausschüssen des Kantons Rhön-Werra arbeitete 1719 der genannte Georg Ludwig von Ebersberg-Weyhers mit.
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.
Rhöner Ritter auf dem Weg zur Selbständigkeit
Die buchonischen Ritter hatten neben Eigengütern (ihrem Allodbesitz) auch Lehen von Fulda und Würzburg in Besitz, während die fränkischen und schwäbischen Ritter auf Reichslehen saßen. Die buchonischen Ritter versuchten dann im Laufe der Zeit, mehr Unabhängigkeit von ihrem Lehns- und Landesherren, dem Fürstabt von Fulda, zu erreichen.
1. Der Reichstag von 1495 und die Folgen
Auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 wurden Beschlüsse gefasst, die für die Ritterschaft von großer Bedeutung waren: Das Fehdewesen, also die bisherige kriegerische Selbsjustiz der Ritter bei Streitigkeiten, wurde verboten und der „Ewige Landfriede“ verkündet. Ein Reichskammergericht sollte von nun an alle Streitigkeiten schlichten. Zur Finanzierung dieses neuen Gerichts wurde eine Reichssteuer, der „Gemeine Pfennig“, eingeführt (von 1000 Gulden Vermögen war 1 Gulden Steuer zu zahlen). Auch die Ritter sollten zu dieser Steuer herangezogen werden. Bisher hatten sie jedoch Steuerfreiheit genossen, dafür waren sie aber zum Kriegsdienst für die Fürsten verpflichtet. Da die Ritterschaft nicht auf den Reichstagen vertreten war, musste mit ihnen gesondert verhandelt werden. Zu Verhandlungen mit den fränkischen und fuldischen Rittern wurden die Bischöfe von Würzburg und Bamberg und der Markgraf von Brandenburg beauftragt, die dann die Ritter für den 14. Dezember 1495 nach Schweinfurt einluden, darunter die Adligen von Bibra, Bastheim, Ebersberg-Weyhers, Hutten, Ostheim, Schneeberg, Steinau, Tann, Thüngen, Veit von Salzburg u.a. Bei diesen Beratungen bestanden die Ritter jedoch darauf, nicht zur Steuer veranlagt zu werden, sondern dass sie wie bisher „wie ihre Voreltern zu des Reiches Diensten“ heranzuziehen seien. Das wurde ihnen auch zugesagt. Die fränkischen Ritter organisierten sich bei dieser Schweinfurter Tagung in sechs Bezirke („Kantone“):
- Odenwald mit Kocher und Jagst,
- Saale, Rhön und Werra,
- Steigerwald,
- Baunach,
- Altmühl und
- Gebirg (Fichtelgebirge) und Vogtland.
2. Erste Erfolge der Ritter
Die Adligen besaßen über ihre Untertanen die „niedere Gerichtsbarkeit“ und Frondienst-Rechte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts erkämpften sie sich, ebenso wie die anderen fuldischen Landstände (die Städte und das Stiftskapitel), nach und nach mehr Rechte, z.B. wurde die richterliche Gewalt des Fürstabts über die Ritter eingeschränkt durch die Einrichtung eines von Stift und Ritterschaft besetzten Schiedsgerichts (Austragsgerichts). Auf dem Reichstag von Augsburg 1555 wurde der fränkischen Ritterschaft (auf Betreiben des sächsischen Gesandten Eberhard von der Tann) die „Religionshoheit“ zuerkannt: Dadurch waren die Ritter der Jurisdiktion der Fürsten auch in Religionssachen entzogen, sie konnten die Religion ihrer Untertanen bestimmen und besaßen die Kirchenleitung, auch konnten sie über das Eigentum der ehemals katholischen Kirchengüter in ihren Gebieten verfügen. Auf den Landtagen in Fulda und Würzburg erschienen die buchonischen Ritter bald nicht mehr. Die Landesfürsten suchten jedoch den Adel in Abhängigkeit zu halten. So ging der Fuldaer Fürstabt Balthasar von Dermbach nach 1570 mit Gewalt gegen die Ritter vor, auch um sie und ihre Untertanen zu rekatholisieren. Die Ritter widersetzten sich vehement. Diese harten Auseinandersetzungen führten 1576 zur Absetzung des Fuldaer Fürstabts Balthasar durch die fuldischen Ritter und Kapitulare. 1588 luden die fränkischen Ritter jene fuldischen Ritter, die keine Zusammenarbeit mit Fulda mehr wollten, zu einem Meinungsaustausch ein, darunter die von der Tann, von Mansbach, von Berlepsch und Otto Heinrich von Ebersberg zu Gersfeld. Doch es kam zu keiner Annäherung an die fränkische Ritterschaft, da die fuldischen Ritter mit dem Administrator des Stifts Fulda inzwischen einen annehmbaren Vertrag hatten schließen können.
Nach der Wiedereinsetzung des Fuldaer Fürstabts Balthasar von Dermbach durch den Kaiser 1602 wurden alle Beteiligten an seiner Absetzung, vor allem die Ritter, vom Kaiser mit harten Geldstrafen belegt, die später allerdings ermäßigt wurden. Als Fürstabt Balthasar nach seiner Wiedereinsetzung jedoch von den fuldischen Rittern den Huldigungseid als Landesherr verlangte, regte sich erneut starker Widerstand. Bisher hatten nur die ritterlichen Untertanen diesen Eid auf den Landesherrn zu leisten, die Ritter selbst jedoch nicht. Ein großer Teil der fuldischen Ritter weigerte sich deshalb zu schwören. So spaltete sich die Ritterschaft in zwei Parteien: Während die einen den Anschluss an die reichsfreie fränkische Ritterschaft (Kanton Rhön und Werra) suchten und den Fürstabt nur noch als ihren Lehens-, nicht mehr jedoch als Landesherrn, anerkennen wollten, waren die anderen bereit, weiterhin den Fürstabt als ihrem Landesherrn anzuerkennen. Den gefordeten Eid leisteten nur einige Ritter von der Tann, von Buchenau, die Ritter von Mansbach, von Schlitz usw. Unter denen, die den Eid verweigerten, war auch Otto Heinrich von Ebersberg. Die Haltung des Abts blieb aber unversöhnlich. Das führte schließlich dazu, dass jene Gruppe mehr Zulauf bekam, die den Anschluss an den fränkischen Ritterkreis suchte. Sie verweigerte die Steuerleistungen an das Stift Fulda und entrichtete eine Zeitlang die Reichssteuern in die fränkische Ritterkasse. Erst als der Kaiser eingriff, hinterlegten diese Ritter die Steuern wieder in Fulda, jedoch in eine separate Truhe, die dem Einfluss des Abts entzogen war. Balthasars Nachfolger als Fürstabt, Johann Friedrich von Schwalbach, schloss 1607 mit den fuldischen Adligen einen Vergleich, der zwar die rechtliche Stellung der Ritterschaft als fuldischen Landstand festschrieb, ihnen aber die Kirchenrechte in ihren Gebieten zugestand, nämlich das „ius reformandi“, also das Reformationsrecht und alle damit verbundenen Rechte.
3. Verworrene Lage im Dreißigjährigen Krieg
Der Fuldaer Fürstabt Johann Bernhard ging nach den anfänglichen Erfolgen der katholisch-kaiserlichen Truppen härter gegen die Ritterschaft vor: Er setzte 1623/24 die protestantischen Pfarrer in einigen Rittergebieten ab und wieder katholische Pfarrer ein, was ein Eingriff in das Reformationsrecht der Ritter darstellte und für sie den Verlust der geistlichen Gerichtsbarkeit bedeutete. (Näheres im Kapitel „Die Pfarreien Hettenhausen und Neukirchen 1624“ im nächsten Abschnitt.) Außerdem versuchte der Fürstabt, durch Auferlegung von einschneidenden Kriegssteuern, die Ritter wieder zum alten Glauben zu zwingen. 1627 rang er der fuldischen Ritterschaft das Versprechen ab, sich an Abgaben an die katholischen Heere zu beteiligen. Das war der Grund, dass die buchischen Ritter immer mehr Kontakte zum reichsfreien fränkischen Ritterkreis suchten und nun auch ihre endgültige Unabhängigkeit vom Hochstift Fulda anstrebten, also die Reichsfreiheit, „nur Kaiser und Reich untertan“. Auf einem Rittertag in Schlitz beschlossen sie, ihren Fall vor das Reichskammergericht zu bringen, und 1630 ließen sie auf dem Reichstag zu Regensburg auf ihre Unabhängigkeitsbestrebungen hinweisen.
Nachdem die Schweden das kaiserlich-katholische Heer besiegt hatten, besetzten die Hessen 1631 mit Hilfe der Schweden das Hochstift Fulda, und Landgraf Wilhelm V. von Kassel wurde als „Fürst in Buchen“ Landesherr im Hochstift Fulda. Die Mönche flohen, und Abt Johann Bernhard schloss sich mit seiner Truppe dem kaiserlichen Heer an. Er kam jedoch 1632 in der Schlacht bei Lützen ums Leben. Die Hessen beschlagnahmten in Fulda alles, was „nicht niet- und nagelfest“ war, u.a. räumten sie die Stiftskirche völlig aus. Die buchische Ritterschaft konnte sich nun dem Kanton Rhön und Werra des Fränkischen Ritterkreises als „Buchisches Quartier“ anschließen. Dieser Beschluss wurde auf einem Ritterkonvent zu Fulda im Oktober 1631 gefasst. Bei den Verhandlungen zwischen den Schweden, den Reichsrittern und den evangelischen Reichsständen in Heilbronn wurde 1633 dann die Reichsunmittelbarkeit der buchonischen Ritter bestätigt. Aber es mussten von ihnen nun hohe Kriegskontribution für die Schweden gezahlt werden, z.B. von den Ebersbergern monatlich 20 Reichsthaler, von den Herren von Schlitz 40 und von den Buchenauern 14 Thaler. Doch nun versuchte Landgraf Wilhelm, die buchischen Ritter wieder an Fulda – und somit an Hessen – zu ketten, wie die hessischen (Kasseler) Ritter, die nicht reichsfrei sondern landsässig waren, also Vasallen des hessischen Landgrafen – und das sollten nun auch die fuldischen Ritter werden. Die Buchischen ließen sich aber darauf nicht ein und widersetzten sich heftig. Die hessische Herrschaft über Fulda dauerte aber nur zwei Jahre. 1634 konnten kaiserliche Truppen das Hochstift Fulda den Hessen wieder entreißen, und Abt Johann Adolf von Hoheneck, der sich bis dahin in Köln aufgehalten hatte, konnte nach Fulda zurückkehren. In den letzten Kriegsjahren besetzten abwechselnd katholische und evangelische Heere das Stift Fulda. So war auch die Ritterschaft gezwungen, weiterhin hohe Kriegskontributionen an die jeweilige Besatzungsmacht zu zahlen.
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bestand der Fuldaer Fürstabt darauf, von den buchonischen Rittern wieder als Landesherr anerkannt zu werden. Das führte zu mehreren Prozessen und langwierigen Verhandlungen, so auch 1648 in Münster bei den Friedensverhandlungen, dann vor dem Reichshofrat und dem Reichskammergericht. Der Prozess wurde jahrelang verschleppt, was für beide Seiten hohe Kosten verursachte. Auch eine kaiserliche Kommission blieb in dieser Sache ohne Ergebnis. Auf dem Ritterkonvent 1653 in Tann, auf dem u.a. Lukas und Wilhelm Rudolph von Ebersberg teilnahmen, führten mehrere Anwesende Klage darüber, dass fuldische Beamte die Ritter und ihre Untertanen massiv durch Überfälle, Plünderungen, Arreste, Pfändungen, Verfolgungen und Beleidigungen bedrängt hatten. Die reichsrechtlich ungeklärte Stellung der buchonischen Ritter ermutigte den Fuldaer Fürstabt Joachim von Gravenegg sogar, weitere Schritte zu unternehmen, um seine Hoheitsrechte auf deren Gebieten wieder durchzusetzen. So beauftragte er seine Beamten, im Tanner Gebiet eine Militär-Musterung durchzuführen. Als sich Friedrich von der Tann dem widersetzte, ließ der Abt durch eine bewaffnete Mannschaft einige Tannische Untertanen gefangen nehmen. Der Reichshofrat verurteilte zwar diese Tat, auch auf dem Reichstag zu Regensburg kam diese Sache zur Sprache. Der Kaiser selbst erließ daraufhin ein Mandat an den Abt, seine Truppen aus dem Tanner Gebiet abzuziehen und die Gefangenen freizulassen – der Abt jedoch kümmerte sich nicht darum. Daraufhin drang eine Rittergruppe in fuldisches Gebiet ein und machte Gefangene, um die Freilassung der vom Abt Inhaftierten zu erzwingen, wogegen der Abt vergeblich Klage erhob. Beide Seiten versuchten nun, den Prozess beim Reichskammergericht voranzutreiben, um baldmöglich eine gerichtliche Klärung zu erreichen.
4. Bestätigung der Reichsfreiheit
Dem Fürstabt war inzwischen klargeworden, dass sich durch seine Eingriffe seine Position verschlechtert hatte. Als dann eine neue kaiserliche Kommision wieder zu keinem Ergebnis kam, war der Abt endlich zum Einlenken und zu einer friedlichen Lösung bereit. Dem Kurfürsten von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, gelang es schließlich, einen Vergleich zwischen dem Abt und der Fuldaer Ritterschaft zu erreichen. Die Bevollmächtigten der buchonischen Ritterschaft waren Friedrich von der Tann und Johann Volpert von Schlitz genannt von Görtz, der Ritterhauptmann von Rhön-Werra und Direktor des fränkischen Ritterkreises. Sie waren von 20 buchonischen adeligen Familien aus 10 Geschlechtern zu Verhandlungen ermächtigt worden. Diese Ritterfamilien waren: von Boyneburg, von Buchenau, von Dernbach, von Ebersberg genannt von Weyhers, von Ilten, von Lauter, von Mansbach, von Schlitz genannt von Görtz, von der Tann und von Wildungen. Am 15. Mai 1656 wurde in Würzburg folgender Vertrag unterzeichnet:
- Die Reichsfreiheit der fuldischen Ritter und ihr Anschluss an die Fränkische Ritterschaft als „Buchisches Quartier wird rechtlich bestätigt
- Die fuldische Ritterschaft erkennt den Fürstabt nur noch als ihren Lehnsherrn (nicht mehr als Landesherrn) an
- Die Ritterschaft führt die Steuergelder an den Ritterkanton ab, leistet aber einen jährlichen Beitrag zur Reichssteuer des Stifts Fulda von 2000 Gulden
- Dem Fürstabt steht nur die Höhere Gerichtsbarkeit über die ritterlichen Untertanen zu (bei Mord, Raub, Brand und Notzucht)
- Sämtliche Verfahren am Reichshofrat und Reichskammergericht in der Frage der Reichsunmittelbarkeit der Ritter werden aufgehoben.
Auf dem Ritterkonvent am 3. Juni 1656 in Tann begrüßten die buchischen Ritter diesen Vertrag, der dann durch Kaiser Leopold am 8. April 1659 bestätigt wurde. Somit war ein mehr als hundertjähriger Streit durch eine politische Lösung zum Abschluss gekommen: Die fuldischen Ritter waren selbständig geworden und nicht mehr Untertanen des Fürstabts von Fulda.
Die hessischen (Kasseler) Ritter dagegen mussten 1655 einen Vertrag mit Landgraf Wilhelm VI. abschließen, durch den sie in Hessen „landsässig“ blieben, das heißt, sie unterstanden also weiterhin dem Landgrafen.
(Näheres bei Rüdiger Teuner: „Die Fuldische Ritterschaft 1510-1656“, Frankfurt a.M. 1982.)
© 1997 G. Rehm
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Gottfried Rehm. Alle Rechte beim Autor.