Forstgeschichte

Die Wälder der Rhön waren schon immer von großer Bedeutung für die Region.

Man stelle sich einmal vor, die Wälder der Rhön wären von jeglicher menschlichen Einflussnahme verschont geblieben. Die Region wäre vielleicht um einige Waldarbeiter reicher, aber mit Sicherheit um einige Attraktionen ärmer.

Die Wald und die Waldverteilung in der Rhön sind, wie überall in Deutschland, Menschenwerk. Dabei wurde zuweilen ein regelrechter Kampf gegen den Wald geführt. Denn mangels erschlossener Baugebiete musste jeder, der sesshaft werden wollte, zunächst den ihn an seiner beabsichtigten Bautätigkeit hindernden Wald beseitigen.

Erste Besiedelungsversuche unternahmen bereits die Kelten ca. 1000 v.u.Z. ihre, zu Verteidigungszwecken angelegten Ringwälle sind auch heute noch zu finden. Aus dieser Zeit könnte auch der Name der Rhön stammen – „Roino“ – was Berg oder Gebirge bedeuten soll.

Die Wälder blieben in ihrer Ausdehnung und in ihrem Charakter aber unverändert. Dies änderte sich erst um das Jahr 1000 u.Z. Der Salzforst, ein nahezu geschlossenes Waldgebiet, das weite Teile der Bayerischen Rhön bedeckte, wurde von Kaiser Otto III. dem Würzburger Bischof geschenkt. Dieser nun wiederum ermunterte seine Untertanen, die Rhöner Wälder in einen etwas besucherfreundlicheren Zustand zu versetzen. So kam es ab dem Jahr 1000 zu mehreren Siedlungs- und folglich auch Rodungsperioden. Ganz selbstlos war das Ansinnen der Bischöfe natürlich nicht, als sie zur Besiedelung der Rhön aufriefen. Wer siedelte und den Boden bearbeitete, hatte den Ertrag natürlich mit den Würzburger Bischöfen zu teilen. Auch wenn die Bischöfe inzwischen anderen Herrschern weichen mussten – das Prinzip an sich hat die Jahrhunderte überdauert.

Forstgeschichte

Trotz einiger Rückschläge in der Siedlungstätigkeit durch so unschöne Umstände wie Kriege, Pest und Hungersnöte, war die auch noch heutige sichtbare Feld-Wald-Verteilung ausgangs des 16. Jahrhunderts im Wesentlichen hergestellt.

Allerdings nur die Verteilung des Waldes. Der Zustand es Waldes ist eine ganz andere Geschichte. Und diese Geschichte ist – zumindest in der Zeit, von der wir gerade reden – eine wenig erfreuliche.

Der Glaube weiter Bevölkerungsteile an die scheinbare Unerschöpfbarkeit der Wälder ließ sie oftmals nach dem Motto handeln: „Wenn dieser Wald alle ist – dahinten steht noch einer.“ Holz war Ausgangsmaterial für fast alle Dinge des Lebens. Bei der Übernutzung der Wälder hatte sich sozusagen eine „Arbeitsteilung“ entwickelt Das vorhandene Holz wurde als Bau- und Brennmaterial verwendet. Besonders die Köhlerei, Eisen- und Glashütten verschlangen Unmengen von Holz. Das Nachwachsen von Holz aber wussten die in der sogenannten „Waldweide“ gehaltenen Haustiere zu verhindern. Schweine fraßen Eicheln und Bucheckern. Junge Bäume wurden von Kühen, Schafen und Ziegen verbissen. Besonders fatal war der Umstand, dass die Rhön von Laubwäldern bedeckt war. Der im Mittelalter gebräuchliche Name „Buchonia“ für das Gebiet ist Ausdruck dieser Tatsache . Dieser Sachverhalt aber hatte zur Folge, dass die Laubbäume – wenn schon nicht durch die eigene Nachkommenschaft – auch nicht durch die sich schneller und leichter verjüngenden (und auch nicht so – zumindest für Tiere – wohlschmeckenden) Nadelgehölze ersetzt werden konnten.

Forstgeschichte

Die Fichte kommt in der Rhön nicht natürlich vor!!! (Dabei ist noch nicht geklärt, warum die Fichte bei ihrer „Rückwanderung“ nach dem Ende der Eiszeit die Rhön ignorierte). Ein vergleichbares Phänomen ist übrigens im Harz anzutreffen. Nur war es hier die Tanne, die sich, aus welchen Gründen auch immer, weigerte, das nördlichste Mittelgebirge Deutschlands zu besiedeln.

Die beschriebenen Verhältnisse trafen übrigens nicht nur für den bayerischen, sprich also für den unter der Oberaufsicht der Würzburger Bischöfe stehenden, Teil der Rhön zu. In den Wäldern der Abtei Fulda sah es nicht besser aus..

1547 zog Julius Echter, der wohl bedeutendste der Würzburger Fürstbischöfe die sozusagen hölzerne Notbremse und erließ die erste Waldordnung für den Salzforst. Die Waldweide wurde eingeschränkt, Glashütten und Eisenhämmer geschlossen. Es wurde ein geregelter Mittelwaldbetrieb mit einer Umtriebszeit von 30 bis 35 Jahren eingeführt.

Der Beruf des Försters erfuhr in dieser Zeit übrigens eine epochale Veränderung – er war nicht mehr vererbbar. Die Vererbbarkeit des Försteramtes hatte sich zu einer angenehmen Selbstverständlichkeit entwickelt, die die damalige grüne Zunft mehr zu ihrem eigenen Vorteil als zu dem des Waldes zu nutzen wusste.

Auch wenn Echters Anordnungen bald positive Auswirkungen zeigten, so machte doch die Geschichte mit Hilfe des 30jährigen Krieges einen konsequenten Strich durch die bischöfliche Rechnung. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass die Teilnehmer an diesem drei Jahrzehnte dauernden Waffengang nicht in erster Linie auf die Einhaltung der geltenden Waldordnung bedacht waren. Dementsprechend rücksichtslos ging man nicht nur mit dem Wald, sondern auch mit den zu dessen Schutz abgestellten Förstern um. Auch die Bevölkerung wusste die wechselnden Machtverhältnisse zu neuen Rodungen auf der Hohen Rhön zu nutzen.

Um 1700 präsentierte sich die Hohe Rhön dann im Wesentlichen so, wie wir sie heute noch vor uns haben, Das raue Klima des Gebirges trug seinen Teil dazu bei, das Aufkommen neuer (Wald)Vegetation zu verhindern.

Frei nach dem Motto: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ verfolgte man nun andere Ziele im Wald (und das im wahrsten Sinne des Satzes). Die Fürsten erwärmten sich mehr und mehr für feudale Jagden, die selbstverständlich nur begrenzte Freude bereiteten, wenn es an dem dazu notwendigen Wild mangelte. Also bemühte man sich um entsprechend hohe Wilddichten. Es lässt sich denken, dass dies dem Wald und besonders dessen Verjüngung nicht gerade zum Vorteil gereichte.

Zum andere wurde die sogenannte Streunutzung üblich. Die Tiere wurden nun nicht mehr im Wald sondern im Stall gehalten, doch wurde der Wald zur Gewinnung der Einstreu genutzt, in dem man das Laub sammelte und in die Ställe streute. Ein Umstand, der für die Fruchtbarkeit des Bodens katastrophale Folgen hat.

Zudem war zu bemerken, dass der unter Julius Echter eingeführte (und unter Berücksichtigung der damaligen Umstände durchaus fortschrittliche) Mittelwaldbetrieb von den Eichen und Buchen auf die Dauer nicht verkraftet werden konnte. Das regelmäßig „Auf-den-Stock-setzen“ ließ die beiden Baumarten verkümmern. Diese Erkenntnis und die Feststellung, dass sich eine Fichte wesentlich besser als Bauholz verwenden lässt als jegliches Laubholz, führten ab der Mitte des 18. Jahrhundert zu ersten Nadelholzanbauten. Allerdings musste sich ein erfolgreicher Anbau auf die tieferen Lagen der Rhön beschränken. In den Hochlagen sorgten Wind und Schnee für einen dauerhaften Misserfolg der Aufforstungsbemühungen. Und dies mit Konsequenz bis in die heutige Zeit hinein. Auch die unter den Nationalsozialisten vorangetriebene Aufforstung der Hohen Rhön scheiterte. Die Reste des sog. Helmuth-Planes sind heute noch zu sehen. Überlebt haben allerdings nur die Fichten – schwer gezeichnet von immer wiederkehrenden Schneebruch. Die ebenfalls gepflanzten Laubhölzer sind bereits früher ausgefallen.

Forstgeschichte

Damit wären wir beim heutigen Erscheinungsbild der Rhöner Wälder. Auch wenn die Nadelhölzer in den Beständen nicht mehr zu übersehen sind, so fällt doch nach wie vor der – zumindest im Vergleich zu vielen anderen deutschen Mittelgebirgen – hohe Anteil an Laubbäumen auf. Und es sind nicht alles Buchen und Eichen, die in den Wäldern der Rhön herumstehen. Der vulkanische Ursprung der Rhön führte zur Bildung äußerst nährstoffreicher Böden, die oft und gerne von den sogenannten „Edellaubhölzern“ besiedelt werden. Das sind z.B. Ulme, Esche, Kirsche und Ahorn.

Waldgesellschaften mit einem hohen Anteil dieser Edellaubhölzer findet man in tiefen und engen Bachtälern, wie z.B. am Elsgraben (rechts der Straße zwischen Oberelsbach und Schornhecke) oder auch im Schwarzbachtal unterhalb des Holzberghofes.

Buchen-Eschen-Wälder kann man in den beiden Naturwaldreservaten „Platzer Kuppe“ (oberhalb Platz) und Lösershag (oberhalb Oberbach) finden. Letztere ist zudem über einen Lehrpfad erschlossen. Beiden gemeinsam ist die Tatsache, dass der Mensch dort auf jegliche Nutzung verzichtet. Die Entwicklung zu einem Urwald ist damit eingeleitet. Zwar kein Naturwaldreservat, aber trotzdem sehenswert ist der von alten Buchen geprägte Wald unterhalb des Steilabfalls der Milseburg. Man durchquert diesen Wald auf einem Wanderweg von Kleinsassen aus kommend. Urtümlich wird es auch im Bereich der „Großen Steine“ oberhalb Riedenberg.

In den Mooren der Rhön (z.B. Schwarzes Moor) wachsen Bestände der Karpatenbirke.

Zu den Wäldern der Rhön gehören aber auch die Fichtenaufforstungen aus den 40iger und 50iger Jahren diesen Jahrhunderts. Wer in den „Schwarzen Bergen“ vom Basaltwerk zum „Würzburger Haus“ wandert, wird diese Bestände nicht übersehen können. Einen hervorragenden Überblick über die streifenweise angelegten Aufforstungen mit Fichte hat man vom Himmeldunkberg aus in Richtung Arnsberg.

Forstgeschichte

Aber auch auf andere Waldbilder sei hingewiesen, auch wenn diese nicht sofort mit Wald im eigentlichen Sinne in Verbindung gebracht werden. Da wären zunächst die Wacholderbestände nördlich der Milseburg und zwischen „Würzburger Haus“ und dem „Berghaus Rhön“, vor allem aber die des „Rosengartens“ unweit der Oberbacher Ziegelhütte. Ein Zeugnis einer früheren Waldnutzung findet sich an der Straße zwischen Gefäll und Oberbach. Nachdem die Straße von Gefäll kommend den Wald erreicht hat, fallen auf der rechten Seite mächtige, in regelmäßigem Abstand stehende Buchen auf. Diese sog. „Hutebuchen“ dienten früher lediglich dem Zweck, Bucheckern als Viehfutter zu produzieren. Die weiten Pflanzabstände führten zu dicken, kurzen Stämmen und breiten Kronen. Erst nachdem der „bodennahe Luftraum“ gänzlich ausgefüllt war, begannen die Buchen, in die Höhe zu streben.

Bemerkenswert sind auch die weitläufigen Heckenlandschaften der Rhön. Ausgedehnte Bestände findet man um Bischofsheim, besonders am Südhang des Bauersberges, nördlich der B279 und von dieser auch gut zu erkennen. Eine weitere „Heckenlandschaft“ ist das Gebiet der „Schwarzen Berge“ oberhalb Geroda. Die Hecken sind auch deshalb so beachtenswert, weil in ihnen das Prinzip der Mittelwaldbewirtschaftung fortgeführt wird. Die Hecke wird im Abstand einiger Jahre „auf-den-Stock-gesetzt“. Das dabei gewonnene Holz kann als Brennholz genutzt werden. Einige Bäume jedoch werden nicht angetastet. Sie sollen heranwachsen, damit ihr Holz als Bauholz Verwendung finden kann.

Eigentliche Mittelwälder findet man heute nur noch dort, wo sie aus forsthistorischen Gründen erhalten werden sollen. Zum überwiegenden Teil sind die Mittelwälder in Hochwälder umgewandelt worden. (Dabei hat der Begriff „Hochwald“ nichts mit der Höhe der Bäume zu tun, sondern es werden Waldbestände charakterisiert, die aus Pflanzung oder Saat (sog. Kernwüchse) hervorgegangen sind. Niederwälder entstanden aus Stockausschlägen, Mittelwälder waren eine Kombination dieser beider Verfahren.)

Zudem war der sog. Nieder- bzw. Mittelwaldbetrieb eine Spezialität in denjenigen Gebieten, die unter klimatisch günstigeren Bedingungen wirtschaften konnten. Aber das ist dann ja schon nicht mehr die Rhön!

Ein Bericht von Andreas Schubert / Rhön Hessen Forstconsulting

Im Auftrag der Rhönline

Das mehrere Positionen umfassende Literaturverzeichnis kann bei der Rhön-Hessen-Forstconsulting angefordert werden.