Versuch der Rekonstruktion eines uralten Fernweges von der Fulda durch die Hohe Rhön zur Streu im Landkreis Rhön-Grabfeld
veröffentlicht im Jahrbuch 1998 des Fuldader Geschichtsvereins – überarbeitete Fassung Frühjahr 2000

Autor:
Joachim Heinke
An der Lehmgrube 15
97647 Sondheim-Stetten
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Anmerkungen zum Aufsatz
Ziel meiner Arbeit war es, den vorzeitlichen und frühmittelalterlichen Wegezug des Ortesweges von der Fulda in das Grabfeld zu beschreiben und eine Erklärung dafür zu finden, warum er in der späteren Geschichtsschreibung keine Bedeutung mehr hatte.
Es mag vielleicht etwas kühn erscheinen, wenn man gut 1200 Jahre nach der urkundlichen Nennung den Versuch macht, den Verlauf eines alten Weges zu rekonstruieren und zu beschreiben. Aber bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich Wissenschaftler und Heimatkundler mit solchen Themen und legten mit ihren Forschungen den Grundstein für die weitere Altstraßenforschung in späteren Zeiten. Dabei hat sich für den Verlauf von vor – und frühzeitlichen Straßen schon früh die Erkenntnis durchgesetzt, dass diese im gebirgigen Gelände auf den Höhen bzw. den Wasserscheiden verliefen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die Flüsse schoben sich in großen Bögen (Mäandern) ihrer Mündung zu. Die Täler wurden oft in ihrer ganzen Breite von ihnen und ihren Nebenarmen sowie dem Auwald ausgefüllt. Dazu kamen die einmündenden Flüsse und Bäche, die man ebenfalls hätte überqueren müssen. Der eigentliche Feind der Reisenden war allerdings nicht das Wasser direkt, sondern der sumpfige Auwald, in dem man Gefahr lief, stecken zu bleiben. Ein weiterer Grund mag gewesen sein, dass man auf den Höhen die vorliegende Wegstrecke bzw. das Ziel vor Augen hatte. Dabei dienten markante Punkte oder Berge mit entsprechender Silhouette sicher als Wegweiser.
Den Grundsatz der Höhenwege, der in der hessischen Straßenforschung oft bestätigt wurde, habe ich mit der Frage nach dem Verkehrsziel bzw. dem Verkehrsanlass zur Grundlage meines Aufsatzes gemacht. Bei der dürftigen schriftlichen Überlieferung und der geringen Anzahl von Anhaltspunkten anderer Art können freilich alle Aussagen über den Weg in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit nur begründete Hypothesen sein. Allerdings lässt sich aus den Bodenfunden, der Bodenbeschaffenheit und den uns bekannten Lebensgewohnheiten jener Zeiten schließen, welchen Verlauf der damalige Weg genommen haben könnte.
Helmut Jäger schreibt: „detaillierte Trassenangaben zur Fixierung der alten Völkerstraßen sind in den ernstzunehmenden neueren Arbeiten in der Regel unterlassen worden, weil so gut wie keine vorfränkischen Quellen existieren und weil die bisherigen Bodenfunde nicht ausreichen, daran ganze Straßenzüge aufzuhängen. Trotzdem ist anzunehmen, dass die alten Trassen und Verbindungswege in der Regel weitertradiert werden, weil bis in die frühmittelalterliche Zeit in erster Linie die natürlichen Gegebenheiten des Terrains den Streckenverlauf bestimmen. Hierbei ist freilich nicht auszuschließen, dass sich mit den Verkehrszielen auch die Verkehrsfunktion einzelner Routen verschob.“
Diese Ausführungen bestätigten mich in meinem Vorhaben. Viel zu lange nämlich hat die fränkische und hessische Straßenforschung die vor- und frühzeitlichen Grabungsfunde – und damit die entsprechenden Siedlungsschwerpunkte – im alten Bahringgau und im Grabfeldgau nicht beachtet. Darüber hinaus lässt die Hohe Rhön – wie viele andere Mittelgebirge auch – ohne straßenbautechnische Fertigkeiten oft keine andere Trassenführung zu. Dies hat dazu geführt, dass die Übergänge über die Hohe Rhön über viele Jahrhunderte nahezu unverändert geblieben sind. Lediglich Verkehrsverlagerungen durch politische Veränderungen fanden statt und sind nachzuweisen. Bei entsprechender Berücksichtigung der Bodenfunde östlich der Rhön, der Geländebeschaffenheit der Hohen Rhön und den politischen Verhältnissen zwischen dem 8. und 10. Jh. lässt es sich m. E. durchaus vertreten, die Trassenführung durch die Rhön so zu bestimmen, wie ich es getan habe.
Im zweiten Kapitel des Aufsatzes beschreibe ich den Weg so wie ich ihn abgegangen bzw. mit dem Fahrrad abgefahren bin. Das heißt allerdings nicht, auch wenn es manchmal so formuliert ist, dass ich der Meinung bin, mich immer genau auf der Trasse des alten Weges bewegt zu haben. Streckenweise könnte dies aber durchaus der Fall gewesen sein. Spuren alter Benutzung finden sich häufig, allerdings sind es oft Hohlwege, teilweise Wegerinnenbündel, die lediglich auf starke Benutzung in jüngerer Zeit hinweisen. Soweit an oder in der Nähe der beschriebenen Trasse vorzeitliche Funde gemacht worden sind, wird darauf hingewiesen.
Unter der Voraussetzung, dass der vorzeitliche Weg als Kamm- bzw. Wasserscheidenweg verlief – und davon ist auszugehen – kommt m. E. nur dieser Wegezug infrage. Er erfüllt auf seiner gesamten Länge diese Voraussetzungen. Auf der gesamten beschrieben Strecke muss von der Fulda bei Bronnzell bis zur Streu bei Mellrichstadt oder Oberstreu kein einziger nennenswerter Bachlauf überquert werden. Es gibt nach meinen Beobachtungen keine weitere Wasserscheide durch die Rhön, die diese Voraussetzungen erfüllt.
1. Im Jahre 743…
zog der Mönch Sturmius von Hersfeld die Fulda hinauf. Er war von Bonifatius beauftragt worden, den Platz einer ehemaligen fränkischen Curtis, gelegen im Gebiet „Eiloha“, ausfindig zu machen und zu prüfen, ob er sich für die Gründung eines Klosters eignen würde. Sturmius fand nach dreitägigem Suchen den Platz und berichtete später Bonifatius darüber. Aus seiner Lebensbeschreibung, der „Vita Sturmi“, die der Mönch Egil am Ende des 8. Jahrhunderts aufgeschrieben hat, geht hervor, dass es zu dieser Zeit bereits einen Handel zwischen Mitteldeutschland (Thüringen) und dem Rhein-Main-Gebiet gegeben hat. Die Händler benutzten dabei uralte Fernwege. Egil schreibt darüber:
„So kam er (Sturmius) eines Tages auf seiner Reise an den Weg, der von der Gegend der Thüringer aus die Handelsreisenden nach Mainz führt wo jene Straße den Fuldafluß überquert … … endlich kam er an der Stelle vorbei, wo jetzt das Kloster liegt, doch zog er weiter hinauf, wo ein Bach, der Gysalaha (die Giesel) sich mit dem Fuldafluß vereinigt. Noch ein wenig höher ziehend kam er nach Sonnenuntergang an den Pfad, der mit altem Namen Ortesveca genannt wurde … … Der Mann Gottes fragte, woher er komme, und er antwortete, er komme aus der Wedereiba (Wetterau) und führe an der Hand das Pferd seines Herrn Ortis. So miteinander redend, blieben sie diese Nacht dort beisammen. Jener Mann aber kannte sich sehr genau in den Gegenden der Einöde aus. Als ihm der Mann Gottes enthüllte, was er beabsichtige und was er treibe, begann er ihm die Namen der Orte zu bezeichnen und den Lauf der Bäche und Quellen zu beschreiben. Sie befanden sich damals an jenem Ort, der mit dem alten Namen Eihloha (Fulda) benannt wird. In der Frühe brachen sie von da auf, segneten einander und sogleich begann der weltliche Mann seines Weges weiter nach dem Graffeld zu ziehen.“
In der „Vita Sturmi“ werden somit zwei wichtige Wege genannt:
- Der alte Weg, „der von der Gegend der Thüringer aus die Handelsreisenden nach Mainz führt“ und
- „der Pfad, der mit altem Namen Ortesveca genannt wird.“
Auch in der sogenannten „Karlmann-Schenkung“, der ältesten bekannten Grenzbestimmung des Stifts Fulda, werden beide Wege zur näheren Erläuterung der Grenzpunkte herangezogen.
Während der Verlauf der Straße von Thüringen nach Mainz, der Antsanvia, durch die Straßenforschung bestimmt werden konnte, blieb der des Ortesweges umstritten.
1.1. Der alte Wegezug in der bisherigen Literatur
Ich will zunächst auf den Namen Ortesweg eingehen. Bis heute wird der alte Fernweg mit diesem Namen bezeichnet, obwohl schon Willi Görich 1956 darauf hinwies, dass nach Theodor Haas (Fulda) Ortesweg kein Eigenname sondern ein Gattungsname ist, der nichts anderes als Kammweg bedeutet. Trotzdem erscheint es mir sinnvoll, an dem Namen Ortesweg für den alten Weg festzuhalten, da er in der bisherigen Literatur diesen Namen trägt.
Nach Görich ist, nicht zuletzt aufgrund der Geländebeschaffenheit im Neuhöfer Forst anzunehmen, dass der „Ortesweg durch die Rhön“ erst im Neuhöfer Forst begann. Die Hohe Straße, die von Frankfurt – Bergen durch den Vogelsberg zog, verzweigte sich hier in Antsanvia und Ortesweg.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch der Streckenabschnitt durch die Rhön in ein frühzeitliches Fernstraßensystem eingebunden war. Durch die Veröffentlichungen von Görich und Hahn dürfte der Verlauf des als Ortesweg bezeichneten Fernweges aus der „Wedereiba in den Graffeldgau“ von der Wetterau bis in den Bereich von Fulda hinreichend genau beschrieben sein. Umstritten, weil nicht genau erforscht, blieb bislang allerdings noch immer der Verlauf östlich der Fuldafurt bei Bronnzell durch die Rhön in das Grabfeld.
Hahn schreibt: „… der Ortesweg überschreitet bei Bronnzell die Fulda, geht über den Steinhauck die Berge der Rhön an, die Milseburg und erreicht schließlich das Grabfeld.“
Nach Görich „… zielt (der Weg) entsprechend eindeutig in Richtung Schloß Fasanerie (Adolphseck); damit aber ist auf der Wasserscheide zwischen Fulda-Lütter und Haune die Verbindung über den Steinhauck mit dem leicht erschließbaren Straßenknoten beim „Grabenhöfchen“ gegeben, der nur 2,5 km südlich der ragenden Milseburg ihre Festungsbedeutung erst begreiflich macht.“
Mit ihren in den 50er Jahren gewonnenen und übereinstimmenden Erkenntnissen stehen Görich und Hahn im Widerspruch zu den weitaus älteren von Vonderau, der einen nördlicheren Verlauf zur Milseburg annahm. Der von Vonderau beschriebene Weg steht jedoch nicht im Einklang mit dem wichtigsten Grundsatz der hessischen Altstraßenforschung, wonach „… frühe Fernwege sich von Natur aus möglichst an die trockenen, licht bewaldeten oder gar heidigen Wasserscheiden hielten. Die späten Landstraßen entwickelten sich dagegen auf Ortsverbindungen, d.h. zu den wassergebundenen Siedlungen und insbesondere den Städten hin. Diesen Erkenntnissen aber ist die fuldische Straßenforschung, die das große Glück früher Überlieferung hat, bisher allzuoft und wenig folgerichtig untreu gewesen“.
Gudrun Loewe schrieb 1958 über Merkmale vorzeitlicher Straßen:
…. durch alle Zeiten werden stets dieselben von der Natur vorgezeichneten Höhenwege entlang den Wasserscheiden benutzt, sei es vom fahrenden Händler mit Saumtier und Ochsenkarren, sei es von beuteheischenden Heerhaufen oder landsuchenden Bauern mit ihrer beweglichen Habe. Auch der Viehtrieb der einheimischen Weidebauern bevorzugt die bekannten, auf den Höhenrücken gar nicht zu verfehlenden, übersichtlichen Straßen. Als markante und allgemein bekannte Linien im Gelände werden Straßen schon früh vielfach zu Besitzgrenzen. Noch heute fallen sie weithin mit Flur- oder Gemarkungsgrenzen zusammen …. …. vorgeschichtliches Alter einer Straße erhellt weiterhin aus vorgeschichtlichen Anlagen (Grabhügeln und Burgwällen) an ihrem Verlauf und aus naturgegebener Linienführung. Geländebegehungen geben oft den Ausschlag, wo exakte Belege fehIen ….
…. was den heutigen Wanderer auf alten Straßen am stärksten beeindruckt: breite und tiefe Hohlwege, zahlreiche tiefe Wagenrinnen nebeneinander im Anstieg oder große Breite zwischen den Rainen, das alles sind Folgeerscheinungen nicht von besonders alter, sondern vielmehr von sehr häufiger Benutzung in jüngerer Zeit, von großer Verkehrsdichte in Mittelalter und Neuzeit. Auch Steilanstiege mit zehn oder mehr Prozent Steigung können erst seit dem Mittelalter mit Vorspann bewältigt werden.
Die uralten Straßen hingegen machen sich die gemäßigte Steigung auf der natürlichen Abdachung des Gebirges zunutze. Sie folgen intuitiv der Gunst des Geländes, ohne je die Hauptrichtung des Fernzieles außer Acht zu lassen, meiden feuchte Niederungen und Quertäler und halten sich vorzugsweise an Wasserscheiden oder geeignete Hanglagen. Derartig geschickt geführte „Naturstraßen“ können fast das ganze Jahr hindurch gefahrlos benutzt werden.
Neben der Morphologie der Oberfläche beeinflußt auch die Geologie des Untergrundes die Wegführung: In unserer Landschaft bietet der reichhaltig mit Steinen durchsetzte Basaltverwitterungsboden den besten Fahrweg; Buntsandstein neigt stärker zur Ausbildung von Hohlwegen, und der steinfreie Löß ist bei Feuchtigkeit schlecht zu befahren und wird allzu leicht zu tiefen Hohlwegen ausgewaschen. Gleichfalls ungünstig zeigen sich die alluvialen Anschwemmungen der Talauen, die deshalb, wo ein Flußübergang notwendig ist, auf dem kürzesten Weg überquert werden.
1.2. Die Bedeutung des alten Wegezuges
Es gilt mittlerweile als gesichert, dass sowohl das Kloster Fulda als auch die fränkische Pfalz Salz ihre Gründung bzw. ihren Ausbau u.a. der Tatsache verdanken, dass sie an den Schnittpunkten zweier wichtiger Nord-Süd-Achsen lagen.
Die Bedeutung des alten Weges für die Straßenforschung erwächst aus der Tatsache, dass er in den frühen Urkunden des Klosters Fulda erwähnt wird. Dass er einem in der Gegend Ortsfremden bekannt war, lässt auf seine überregionale Bedeutung schließen. Die Strecke durch die Rhön in das Grabfeld muss Teil eines alten Fernweges gewesen sein, der einerseits seine Ursprünge im Westen hatte und über das Marburger Land und den Vogelsberg in das Fuldaer Gebiet zog. Andererseits hatte er Anschluss an die alte Straße, die vom Mittelrhein durch die Fuldaer Gegend nach Thüringen führte.
Da das heutige östliche Franken aufgrund seiner Mittellage zu allen Zeiten Durchgangsland der Völkerwanderungen war, liegt es nahe, dass der Übergang über die Hohe Rhön auch schon zu allen Zeiten Teil eines Völkerwanderungsweges gewesen war. Er liegt zwischen der Antsanvia, die über die westlichen Ausläufer des Thüringer Waldes und durch die Fuldaer Gegend zum Mittelrhein (Übergang bei Mainz) zog und der Birkenhainer Straße, die aus östlichen Richtungen durch den Spessart ebenfalls zum Mittelrhein führte und bei Mainz-Weisenau den Rhein überquerte. Es gilt als sicher, dass auch das Straßennnetz des Spessarts mit der Rhön verbunden war. Die Verbindung lief über die Wassserscheide Kinzig/Sinn und das Dammersfeld in die Hohe Rhön bzw. den Salzforst.
Friedrich Stein schreibt, dass „aufgrund der engen Verbindungen des Saalegaues und des Grabfeldgaues mit dem Kloster Fulda zusätzliche untergeordnete Verbindungen an dem Untersuchungsgebiet (Raum Schweinfurt) über die Rhön wahrscheinlich sind.“
Heinrich Hahn schreibt, dass der Ortesweg „in der Epoche keltischer Wirksamkeit die Querverbindung zwischen den Oppida herstellte, also die Querverbindung zwischen den Hauptstädten der hier siedelnden kleinen Stämme. Dieser Wegezug verbindet den Staffelstein mit der Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg im Grabfeldgau im weiteren Verlauf mit der Milseburg und dann dem Dünsberg bei Gießen. Diese Höhenstraße hat offenbar in der Nachfolgezeit ihre Bedeutung beibehalten, wenn auch nun unter anderen politischen Voraussetzungen.“
Diese Vermutung erscheint sowohl im Hinblick auf die keltische Epoche als auch die spätere Nutzung schlüssig. Nach dem Kontinuitätsprinzip kann man auch davon ausgehen, dass eine solche Verkehrsverbindung schon in älteren Siedlungsperioden existierte.
Offenbar bestanden auch in frühfränkischer Zeit enge Verbindungen zwischen den Gegenden östlich und westlich der Rhön. Beleg dafür ist beispielsweise die Schenkung eines Engilriches im Jahre 812, der Güter im Tullifeld und im Baringgau in den Orten „Ostheim, Sundheim, Westheim und Espiu (Ober- bzw. Unterelsbach) sowie in Engilriches und Dietershausen an der Haune an das Kloster Fulda vermachte. Hier ist nicht die Tatsache der Schenkung bedeutend, vielmehr dass man Grundbesitz auf beiden Seiten der Rhön hatte.
Der Ortesweg müsste demnach in die nördlichen Teil des Grabfeldgaues geführt haben, in die Gegend, in der durch Bodenfunde uralte Besiedelung nachgewiesen wurde. Von hier stammen auch die frühesten Beurkundungen über Besitzveränderungen in fränkischer Zeit.
1.3. Die geographische Bestimmung des Wegeverlaufes
Mit dieser Arbeit will ich versuchen, den Verlauf des alten Fernweges von der Fuldafurt bei Bronnzell bis ins Grabfeld zu rekonstruieren. Neben dem Studium der entsprechenden Urkunden bzw. der Literatur und der topographischen Karten war es schon immer wichtig, als Ergänzung die ins Auge gefassten Strecken auch abzugehen. Dies hat wesentlich zu den folgerichtigen Erkenntnissen des hessischen Altstraßenforschers Müller beigetragen, der fast alle von ihm beschriebenen Altstraßen im Vogelsberggebiet und in der Wetterau selbst in Augenschein nehmen konnte. Auch Willi Görich verfuhr so.
Diesen Grundsatz habe ich mir zueigen gemacht. Ich habe 1996 und 1997 viele Hundert Kilometer mit dem Mountainbike – wo dies nicht ging zu Fuß – zwischen Fulda und Streu zurückgelegt und dabei versucht, den möglichen Wegezug zu rekonstruieren. Dabei ging es nicht darum herauszufinden, wie der exakte Verlauf des uralten Weges war. Vielmehr zu beweisen, dass dieser alte Weg mit großer Wahrscheinlichkeit so verlaufen sein könnte und dass er aufgrund seiner genialen Anlage auch noch in späteren Zeiten benutzt wurde.
Die Arbeitsgrundlage oder Ausgangsthese meiner Untersuchung war einerseits die bereits oben erwähnte von Hahn aufgestellte Vermutung, dass der alte Weg die Verbindung zwischen den Hauptstädten und damit auch den Siedlungsgebieten der keltischen Stämme hergestellt haben könnte und dass er auch noch in vorfränkischer und fränkischer Zeit eine gewisse Verkehrsbedeutung gehabt haben muss. Ein weiteres wichtiges Kriterium war der alte Grundsatz der hessischen Straßenforschung, wonach ein solcher Weg als Höhenstraße bzw. als Kammweg verlaufen müsste und nach Möglichkeit feuchte Gebiete und Flussüberquerungen gemieden hätte. Meine „Suchkriterien“ waren somit:
- Eine Wasserscheide von der Fulda durch die Hochrhön in das Grabfeld.
- Vorgeschichtliche oder frühgeschichtliche Anlagen bzw. Funde an oder in der Nähe der Wasserscheide.
- Spuren alter Benutzung in Form von Hohlwegen und Wegerinnen im Verlauf der Wasserscheide.
Demnach müsste ein solcher Weg als Wasserscheidenweg von der Fuldafurt bei Bronnzell in Richtung der Milseburg verlaufen, die Hohe Rhön überschreiten und danach die vor- und frühzeitlichen Siedlungsschwerpunkte in den Tälern der Streu und der Saale erreichen. Von dort aus müsste er zur Steinsburg bei Römhild bzw. durch die Haßberge in Richtung Staffelstein ziehen. Ein solcher, seit Vorzeiten genutzter Weg dürfte, wenn er als Handelsweg mit Karren benutzt worden wäre, keine besonderen Steilanstiege aufweisen.
Nach Horst Mensching sind „die Übergänge vom Streu-, Elsbach- und Brendtal ins Fulda- und Ulstertal vergleichsweise schwieriger, weil hier die Hohe Rhön wegen der Mächtigkeit des unter den Basaltverebnungen liegenden Triassockels vom bayrischen Süden, Südosten und Osten her nur durch einen bedeutenden Steilanstieg (200 bis 300 m) zugänglich ist“.
Dies ist nur bedingt zutreffend. Wenn man die Lange Rhön von Osten angeht, fällt auf, dass diese fast rechtwinklig zu ihrer Hauptachse lange Bergrücken in das Grabfeld ausstreckt, auf denen noch heute Wege zur Langen Rhön hinauf führen. Es sind
- ein von Oberelsbach auf einem Bergrücken nördlich an Dünsberg und Hüppberg vorbei zum Basaltsee bzw Heidelstein hinaufziehender Weg
- von Urspringen ein Weg, der an der nördlichen Flanke des Hohen Rodberges vorbei am alten Hof Wermers (Schweinfurter Haus) zum Waldort Lehnberg nördlich des Gangolfsberges zieht und der südlich des Ilmenberges die Hochrhön erreicht
- von Stetten ein Weg, der über die Jungviehweide östlich von Roth führt, und dann in etwa die Trasse der heutigen Straße zum Weiler Hillenberg nimmt und damit oberhalb (südlich) des Eisgrabens bleibt. Beim Huckel bzw dem untergegangenen Dorf Dietzenwinden erreicht er den Kamm der Langen Rhön
- von Fladungen über Rüdenschwinden und die Sennhütte zum Parkplatz „Schwarzes Moor“ bzw nach Birx und Frankenheim
Es ist sicher kein Zufall, dass diese vier natürlichen Rampen in Richtung der vier alten „Schläge“ (Durchlässe) im Bereich der Langen Rhön durch die alte Landwehr, Höhl zielen. Diese Bergrücken bieten sich geradezu für den Auf- bzw Abstieg an, denn sie sind ohne besondere Steilstrecke zu bewältigen und wurden deswegen offenbar schon seit Urzeiten benutzt. Mindestens zwei von ihnen – der von Stetten und der von Urspringen hinaufführende, wurden durch frühmittelalterliche Burganlagen – die Hildenburg und die Wernfriedsburg – „gesperrt“, was auf die verkehrs- und strategische Bedeutung dieser Wege hinweist. Darüber hinaus hat die Wernfriedsburg einen keltischen Vorläufer, was wiederum auf eine gewisse Bedeutung zu keltischen Zeiten schließen lässt.
Westlich der Hohen Rhön fällt die Lange Rhön auf einer Strecke etwa vom Heidelstein bis in die Gegend von Hilders steil ins Ulstertal ab und lässt eine bequeme Wegeführung nur bedingt zu.
Diese Gegebenheiten sind bestimmend für die Streckenführung von Osten über die Hohe Rhön in die Gegend der Milseburg: Das Ulstertal wird oberhalb der Ulsterquelle über das Heidelsteingebiet und die Wasserkuppe umgangen.
Neben der Geländebeschaffenheit der Hohen Rhön und des Ostabhanges der Langen Rhön müssen weitere Kriterien zur Bestimmung des Streckenverlaufes herangezogen werden. Es fällt auf, dass im Süden des Gebietes, also etwa südlich von Oberelsbach und im Brendtal bislang keinerlei vorzeitlichen Funde gemacht wurden. Um so mehr im Streutal und dem Heidelberggebiet (zwischen Ostheim und Bastheim/Ober- und Unterwaldbehrungen), das die Täler von Streu und Elsbach trennt. Hier wurden noch in 1999 bei Bastheim zwei wichtige Ausgrabungen gemacht: Ein Hallstatt-Wagengrab und ein bronzezeitliches Grab aus der Zeit etwa 1200 – 1400 v. Ch. Diese Funde erhärten die Vermutung, dass das Heidelgebiet von jeher ein wichtiges Durchzugsgebiet war.
Ebenso weiter nach Osten über Streu und Saale hinaus, etwa im Gebiet Mellrichstadt, Römhild, Königshofen i.G, Bad Neustadt. Hier ist fruchtbares Ackerland und vermutlich deshalb befanden sich hier zahlreiche vor- und frühzeitliche Siedlungen. Hier ist m.E. das Reiseziel des „weltlichen Mannes“ aus der „Wedereiba“ zu suchen, der nach den Schilderungen in der Vita Sturmi am nächsten Morgen „weiter nach dem Graffeld“ zog.
Die oben beschriebenen Kriterien lassen nun schon erahnen, welchen Verlauf der alte Weg genommen haben muss:
Von der Fuldafurt bei Bronnzell – über den Steinhauck – Dietershausen – Giebelraingebiet – Grabenhöfchen – Wasserkuppe – Ottilienstein – Heidelstein – Lange Rhön – Gangolfsberg – Hundsrücken – Heidelberggebiet – Ostheim – Mellrichstadt bzw. Oberstreu oder Salz. Bei Mellrichstadt und Oberstreu wurde die Streu überschritten, bei Salz die Fränkische Saale.
1.4. Der Verlust der Verkehrsbedeutung des Ortesweges
Dass der Ortesweg in der Geschichtsschreibung keine weitere Erwähnung mehr fand, bedeutet natürlich nicht, dass die Strecke zwischen Fulda und dem Grabfeld nicht mehr begangen wurde. Noch 897 reiste König Arnulf von Kärnten (887 – 899) von Fulda nach Salz. Welchen genauen Weg er dabei genommen hat, ist leider nicht mehr nachzuvollziehen. Es liegt nahe anzunehmen, dass der Ortesweg seine Bedeutung an eine andere Verbindung abgeben musste. Dies hing sicher mit der Veränderung der Verkehrsgewohnheiten zusammen. Den Grund für den Verlust seiner Bedeutung muss man daher hauptsächlich in der politischen Entwicklung des frühen Mittelalters allgemein und der der Rhön im besonderen suchen.
Bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts konnte durch Bonifatius die Kirche straff organisiert und auf Rom ausgerichtet werden. Kurz danach entstanden zwei „Körperschaften“, die das Schicksal unseres Raumes für die folgenden Jahrhunderte beeinflussten: 741/742 das Bistum Würzburg und 744 das Kloster Fulda. Erst gegen Ende des 8. Jh. gründete Karl der Große als weltlichen Schwerpunkt die Pfalz Salz.
Durch den Ausbau des „Fiscus Salz“ zur Pfalz, der offenbar 790 abgeschlossen war, wurde ein „repräsentativer Mittelpunkt der Königsherrschaft Karls des Großen“ geschaffen, ein neuer Verwaltungsmittelpunkt, von dem aus der ostfränkische Adel stärker zu kontrollieren war und der als Drehscheibe für Karls Bayernpolitik und Awarenkriege sowie die andauernden energischen Bemühungen, die Sachsen zu unterwerfen, diente.
Es fällt auf, dass die frühen urkundlichen Ortsnennungen im Gebiet nordöstlich der Hochrhön alle nördlich einer Linie etwa Oberelsbach – Bad Neustadt liegen und dass die Orte im Brendtal wesentlich spätere Gründungdaten haben.
„Mit der Erschließung der Randgebiete des alten Siedlungslandes nahm der Druck der langsam aber stetig wachsenden Bevölkerung zu und verlagerte sich auf noch nicht erschlossenes, weil nur begrenzt siedlungsfähiges Gelände. Zwar sind die Ortsnamen Unterweißenbrunn, Wegfurt, Frankenheim, Haselbach und Schönau bereits auf karolingische Zeit zurückzuführen, doch werden diese Orte alle erst 1234 urkundlich genannt.
Die späte bzw. geringe Besiedelung des zum Salzforst gehörenden Brendtales lässt den Schluss zu, dass es vor der Jahrtausendwende wohl noch keinen wichtigen Weg über die Hochrhön durch das Tal gegeben hat. Dieser wird – wie in vielen anderen Tälern auch – erst mit der zunehmenden Besiedelung entstanden sein.
Im Gegensatz zur frühen Straßenforschung vertritt die neuere die Auffassung, dass bereits die Karolinger „Straßen“ neu bauten bzw. Verbesserungen an den vorgefundenen Wegen vornahmen. Funk differenziert die Entstehung des Straßennetzes in grundsätzlich fünf Entwicklungsperioden :
- Die vorfränkischen Wege (bis zum 6. Jh. n.Ch.), die auf naturgegebene Höhen (Höhenstraßen) und Furten angewiesen sind. Ihr wichtigstes Kennzeichen: Das Zusammenfallen mit Flurgrenzen auf größeren Strecken.
- Die fränkischen Straßen (6. – 10. Jh. ) seit der Besiedelung unserer Gegend durch die Franken. Sie werden planmäßig und unabhängig von den vorfränkischen Wegen vom fränkischen Staat und König angelegt. Ihr Kennzeichen: Brücken, Specken (Knüppelwege) Hohlwege und ähnliche Kunstbauten, dazu Verlauf im Tal.
- Das mittelalterliche Straßennetz (11. – 16. Jh.). Da das Mittelalter fast keine neuen Straßen anlegte, ist dieses Verkehrsnetz keine eigene Schöpfung, sondern stellt nur eine Auswahl bestimmter Straßen aus dem Netz der (fränkischen) Heerstraßen dar, auf die sich der Hauptverkehr konzentriert und verlagert hatte. Kennzeichen: Die landesherrlichen Zollstätten und Geleitsstraßen.
- Das neuzeitliche Straßennetz (ab dem 17. Jh.). Dieses führte im Prinzip nur das mittelalterliche gewachsene Verkehrsnetz weiter und baute sie mit neuzeitlichen technischen Mitteln aus.
- Das gegenwärtige Straßennetz
Da die Franken nicht nur die vorgefundenen uralten Wege nutzten, sondern sie auch nach ihren Erfordernissen ausbauten, ist davon auszugehen, dass sie mit der zunehmenden Bedeutung der Pfalz Salz einen günstigeren Weg von Fulda durch die Rhön nach Salz schufen bzw. ausbauten. Es liegt nahe, dass dies die spätere „geleitsfähige Straße“ über Gersfeld und Bischofsheim nach Salz war. Allerdings dürfte der Weg zunächst nicht über Gersfeld geführt haben, sondern über die Wasserkuppe. Südlich von ihr zweigte er vom beschriebenen Weg in das Grabfeld ab, um dann westlich am Roten Moor vorbei und über die „Himmeldunke“ in das Brendtal zu führen.
Dass der Weg von Bischofsheim nach Salz bereits zu dieser Zeit als reiner Talweg verlief, ist jedoch kaum anzunehmen. Um den sumpfigen Stellen auszuweichen, nahm man z.B. im Kinzigtal noch bis zum neuzeitlichen Straßenbau Steilanstiege hinauf, die die Flussbögen darüber hinaus noch abschnitten und den Weg verkürzten.
Die fränkische Expansion war in Süd-Nord-Richtung angelegt. Östlich und westlich der Rhön bestanden gesicherte Wege, auf denen die Regenten mit ihren Heeren ziehen konnten. Zur Sicherung des Gebietes hatte man Königshöfe und Pfalzen angelegt bzw. vom thüringisch – mainfränkischen Adel übernommen . Östlich der Rhön dürften dies insbesondere Königshofen im Grabfeld, Salz sowie Mellrichstadt gewesen sein. Westlich der Rhön fiel dem Kloster Fulda diese Rolle zu. Die Rhön lag zwischen den bedeutenden Verkehrsachsen
- Würzburg – Salz – Mellrichstadt – Erfurt und
- Frankfurt – Fulda – Eisenach – Erfurt.
Für die fränkische Politik war der Weg über die Rhön die Verbindung zwischen den wichtigen Stützpunkten Fulda und Salz und noch weiter hinaus über die Haßberge zum bedeutenden karolingischen Handelsplatz Hallstadt bei Bamberg an der Mündung der Baunach in den Main. Wichtig war sicher aber auch, dass das Land an den beiden Hauptachsen unter Kontrolle war. Wahrscheinlich sollte diese Kontrolle durch die Würzburger Bischöfe und die Fuldaer Äbte ausgeübt werden, denn die Kirche war der verlässliche Partner der fränkischen Politik. Beide wurden mit reichen Landschenkungen ausgestattet, die es ermöglichten, diese Aufgabe zu übernehmen. Würzburg hatte die südlich und östlich gelegenen Gebiete zu sichern, Fulda durch die zahlreichen Landschenkungen beiderseits der nördlichen Rhön diese Gebiete.
Machtstreben des Würzburger Kirchenstaates und Geldnot der Fuldaer Äbte führten aber dazu, dass sich im Laufe der Zeit die Einflussgebiete vermischten. Nach dem Verkauf der Güter der Herren von Hildenburg gelangte Würzburg in den Besitz von Hildenburg, Fulda in den Besitz des Amtes Lichtenberg. Damit schob sich Würzburg mit seinem Landbesitz zwischen Fulda und sein Amt Lichtenberg. Als dritte Macht schalteten sich ab Mitte des 14. Jahrhunderts die Landgrafen von Thüringen, danach die Henneberger und als ihre Nachfolger die Herzöge von Sachsen in das Machtpoker ein, die den größten Teil der Hildenburger Güter bis zur Gründung des Landes Thüringen in Besitz behielten.
Diese Dreiteilung, besonders aber die geographische Lage des Amtes Lichtenberg, war fatal für die Verkehrsentwicklung der nordöstlichen Rhön bis ins 19. Jh. Das Amt Lichtenberg saß wie ein Pfropfen inmitten der Verbindungswege aus dem Tullifeld und dem Fuldaer Land in den Saalegau und weiter nach Würzburg bzw. in östliche Richtungen.
In diesem politischen Karussell veränderten sich natürlich auch die uralten Handelsbeziehungen. Die des Grabfeldgaues richteten sich nach Südthüringen und nach Mainfranken. Der bedeutende Handelsverkehr lief östlich und westlich an der Rhön über die Handelsstraße von Nürnberg nach Eisenach und über die Antsanvia ins Rhein-Main-Gebiet. Die einzige wichtige Verbindung mit Verkehrsbedeutung durch die Rhön führte durch die südliche Rhön von Fulda über Hammelburg nach Würzburg. Sie entwickelte sich hauptsächlich wegen der fuldischen Besitzungen im Saaletal und war nur auf dem Abschnitt bis Hammelburg bedeutend.
Zwei andere Routen, allerdings im nördlichen Bereich der Hochrhön, werden im Würzburger Geleitsstraßenverzeichnis von 1596 erwähnt: Die Verbindungen von Hilders nach Fladungen und die von Kaltennordheim nach Fladungen. Allerdings wird bereits bei der Beschreibung der ersten Strecke angemerkt, dass das Geleit auf ihr „rüregsam wenig geschiecht“ und die zweite Strecke wurde nach einer würzburgisch-sächsischen Übereinkunft von 1599 für den Fernverkehr gesperrt. Die Verbindungen über die Hohe Rhön hatten demnach in nachkarolingischer Zeit ihre Bedeutung verloren und konnten auch keine nennenswerte Verkehrsbedeutung mehr erwerben. Dies hat letztlich zur „Abseitslage“ der Rhön und der daraus resultierenden Armut der Bevölkerung geführt. Wenn ein bedeutender Handelsweg die Rhön durchquert hätte, hätte dies sicher bei den Verkehrserschwernissen ab dem Mittelalter, die als „Verkehrsgerechtsamkeiten“ überliefert sind, seinen urkundlichen Niederschlag gefunden.
Nur noch einmal, während eines Geleitsstraßenstreites im Jahre 1522 zwischen Würzbug und Fulda, wurde ein Weg über die Hohe Rhön urkundlich erwähnt: Es war die „geleitsfähige Straße“ von Gersfeld über Bischofsheim nach Neustadt.
Auch der Einfluss des Klimas sollte in Bezug auf die Besiedelung und auf die Handelsbeziehungen zwischen dem Grabfeldgau und den westlich jenseits der Hochrhön gelegenen Gebieten nicht unterschätzt werden. Nach dem Beginn einer Wärmephase etwa um das Jahr 1000 begannen um 1300 die Temperaturen wieder deutlich unter die Durchschnittstemperaturen der vergangenen Jahrhunderte zu sinken. Die Rhön wurde zu dem Land, von dem man noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts sagte, es sei „rau, unwirtlich und lebensfeindlich.“ Man muss deswegen davon ausgehen, dass die Überquerung der Hochrhön mit Karren oder Fuhrwerken nur wenige Wochen im Jahr möglich war.
2. Der Verlauf des alten Weges durch die Rhön
2.1. Der Verlauf des alten Weges bis zur Fuldafurt bei Bronnzell
Der aus Mainz über Frankfurt-Bergen herziehende Straßenzug „Hohe Straße – Reffenstraße – Alte Straße – Antsanvia“ gabelt sich auf den Höhen des Neuhofer Forstes am Rande des Fuldaer Beckens in einen nach Norden zur Kämmerzeller Furt ziehenden und in einen südlichen, der zur Furt bei Bronnzell zieht. Dieser südliche Straßenzug ist der in der Vita Sturmi genannte Ortesweg, den der Knecht des Herrn Orcis auf seinem Weg aus der „Wedereiba in das Graffeld“ benutzte.
Der Neuhofer Forst ist ein einmaliges Feld für das Studium alter Straßen. Hier gibt es kaum einen Hektar Waldfläche, der nicht von den Spuren einer alten – allerdings meistens mittelalterlichen – Straße durchzogen ist. Trotz der vielen Spuren in diesem Waldgebiet lässt sich der Verlauf der beiden uralten Straßen durchaus noch erkennen und der Platz finden, an dem sich die Alte Straße von Mainz her in Antsanvia und Ortesweg gabelte. Diese Gabelung befand sich ca. 500 m nordöstlich des Waldplatzes „Am Kirschbäumchen“. Von hier zog der Ortesweg auf der Höhe weiter, beschrieb einen nach Süden offenen Bogen, um dann vor dem Berg „Hinterschiefersrain“ durch das Waldgebiet Schiefersrain zur heutigen Straße von Neuhof nach Giesel zu ziehen. Diese wurde in der Nähe des Maedkreuzes überquert. Über die Nippelskuppe ging es zur heutigen Alten Heerstraße und auf ihrer Trasse weiter bis zur ehemaligen Fuldafurt bei Bronnzell.
In der Nähe der Nippelskuppe befinden sich 2 Hügelgräber.
2.2 Von Bronnzell zum Grabenhöfchen
Von der Furt bei Bronnzell, die sich fuldaaufwärts der heutigen Brücke befand, zog der Weg durch den heutigen Ort, über den breiten Rücken des Gehrnberges und die Höhe 363 m wahrscheinlich schnurgerade zum Steinhauck.
Durch die Autobahn A7 ist er in diesem Bereich nicht mehr überall nachzuvollziehen. Es gibt eine Reihe von Anhaltspunkten, die auf die alte Wegeführung hindeuten. Jedoch erscheinen sie mir nicht eindeutig genug, sodass ich hier nicht näher auf sie eingehen will. Von der nördlichen Ecke der Fasanerie läuft ein Weg in Richtung Autobahn, der durch seinen Hohlwegcharakter und einige Beiwege auf mittelalterliche oder spätere Benutzung schließen lässt. In der Nähe der Autobahn befindet sich jedoch ein aufgelassener Steinbruch, sodass die Hohlwege durchaus vom Steintransport herrühren können.
Über den Steinhauck geht es weiter in Richtung Dietershausen.
Auch im Wald vor Dietershausen finden sich einige Wegebündel mit tief ausgefahrenen Geleisen.
Am oberen Waldrand, westlich von Dietershausen, gelangt der Weg in die Nähe der alten Grenze zwischen dem Königreich Bayern und Kurhessen. Den deutlich sichtbaren, übergroßen Grenzsteinen folgt er nun mehr oder weniger direkt bis zur Straßenkreuzung der B 485 oberhalb von Poppenhausen. Es ist denkbar, dass sich diese Grenzziehung an einer weitaus älteren orientiert hat, die wiederum auf den alten Weg zurückzuführen ist.
Nach dem Waldrand auf der Höhe oberhalb von Dietershausen folgt der heutige Weg zunächst nicht den Grenzsteinen über den Dassenberg (459 m), sondern führt an seinem nördlichen Hang über die Landesstraße und danach im Zuge der „Alten Straße“ zur Höhe 472 oberhalb des heutigen südlichen Neubaugebietes von Dietershausen. Ab hier bis zur Gegend des Giebelrains wird der heutige Weg nun von den alten Grenzsteinen begleitet. Neben ihm finden sich stellenweise noch Spuren eines alten Hohlweges.
Zwischen Paulsand und Mittelreppig verläuft er nun als Kamm- bzw. Hangweg südlich des Haimberges nach Vorderreppig und von dort ein Stück in Richtung des Berges Giebelrain, biegt dann aber ab, um über die Bauernhöfe Kalkhof und Hausfürst den Giebelrain südlich zu umgehen. Östlich des Bauernhofes Hausfürst zieht er im Zuge des heutigen Wanderweges (1 und 2) hinauf zu einem Kammweg der mit geringen Höhenunterschieden bis zur Kreuzung der B 485 mit der L 3330 oberhalb von Poppenhausen führt. Nordöstlich der Kreuzung führt der Weg am Teufelsstein vorbei nach Hintereselsbrunn und weiter zum Grabenhöfchen.
Ein tief eingeschnittener Hohlweg und mehrere alte Wegerinnen sind in zwei Wäldchen neben dem Weg ca. 350 m und 800 m nach der Kreuzung zu erkennen.
Von Hintereselsbrunn führen zwei Wege zur nahegelegenen Milseburg, die das Quellgebiet der Bieber über den Bubenbader Stein östlich umgehen.
2.3. Vom Grabenhöfchen zum Heidelstein
Für den weiteren Verlauf des alten Weges bis zur Wasserkuppe kommt m. E. nur ein Weg über Abtsroda in Frage. Ein Weg über Sieblos hätte mehrere Bachläufe zu überqueren. Wahrscheinlich führte der Weg etwa im Zuge des Weges über den Weiherberg (750 m) oder des heutigen Wanderweges E 6 nach Abstroda. Die Wasserkuppe wurde dann über einen Hangweg erreicht, der in etwa den Verlauf der heutigen Landesstraße 3068 hatte oder aber oberhalb von ihr verlief. Der Weg wäre somit nicht über die höchste Erhebung der Wasserkuppe gezogen, sondern über den Sattel (910 m), auf dem sich heute die Einrichtungen der Segelflieger befinden. Die Abflachung des Hanges in dem Bereich, auf dem die Straße von Abtsroda zur Wasserkuppe führt, ist schon ab den Höhen oberhalb von Dietershausen gut zu erkennen und erscheint bereits hier als logische Wegeführung.
Bis zur Einmündung der Wasserkuppenstraße (L 3068) in die von Gersfeld nach Wüstensachsen führende Bundesstraße 284 (816 m) dürfte der Wegezug der heutigen Straße entsprochen haben und oberhalb (östlich) an der Fuldaquelle vorbeigezogen sein. Jenseits der Straßeneinmündung zweigte vermutlich der Weg ab, der westlich am Roten Moor vorbei nach Bischofsheim führte (heute: Alte Reichsstraße). Der Ortesweg setzte sich in direkter Linie und ohne nennenswerte Höhenverluste bzw. -gewinne in Richtung des Ottiliensteins östlich der Bundesstraße 278 von Wüstensachsen nach Bischofsheim fort.
An oder in der Nähe der Abzweigung befand sich früher der Hasen- oder Haselhof, der zur Gersfelder Herrschaft gehörte. Mit dem Dorf Rothenmoor teilte er im Dreißigjährigen Krieg das gleiche Schicksal (Zerstörung), weil er an der vielbegangenen Straße nach Bischofsheim lag und Kriegsvölker aller Herren hier vorbei zogen. Mit dem Hof war eine Gastwirtschaft verbunden. Der Hof war bis ins 18. Jahrhundert als Schafhof bewirtschaftet.
Im Zuge der Rekultivierung des Roten Moores ist der in den 80er Jahren noch vorhandene Weg von der Bundesstraße zum Ottilienstein fast völlig verschwunden. Er lief als breiter Waldweg oberhalb des Roten Moores zur Bundesstraße 278.
Der Ortesweg dürfte südlich am Ottilienstein vorbei zunächst in Richtung Ulsterquelle am nordwestlichen Hang des Heidelsteins gezogen sein. Nur ca. 50 m oberhalb (südlich) der Ulsterquelle zog er durch das Waldgebiet Kesselrain. Er traf etwa an der Stelle auf die heutige Straße von der Schornhecke zum Sender Heidelstein, wo diese nach Süden schwenkt.
Der Weg ist ab der Wegespinne oberhalb der Ulsterquelle bis zur hessisch/bayrischen Grenze noch erhalten. Auf ihm wird im Winter eine Teilstrecke der LL-Loipe „Kesselrain“ geführt. Er führt leicht ansteigend durch das Waldgebiet „Kesselrain“ zu den „Tannschen Heufeldern“. Hier überquert er die hessisch/bayerische Grenze, schwenkt südlich ab und zieht als aufgegebener Weg durch eine Tannenschonung zu der oben beschriebenen Stelle. Im oberen Verlauf dieses Weges befinden sich einige alte Wegerinnen. Beeindruckend ist die trichterförmige Einbuchtung, mit der der alte Weg aus dem Wald in das Wiesenland der Hochrhön tritt.
2.4. Vom Heidelstein über die Hohe Rhön zum Gangolfsberg und weiter über Urspringen zum Hundsrücken
Von der oben beschriebenen Stelle, auf ca. 870 m Höhe, dürfte der Weg zunächst in Richtung der Kreuzung der Hochrhönstraße mit der Straße von Wüstensachsen nach Oberelsbach gezogen sein. Ab der heutigen Kreuzung umging der alte Weg auf der Langen Rhön nun etwa auf 820 – 800 m Höhe bleibend westlich die Elsquellen, um dann nördlich an der Höhe 809 vorbei weiter in Richtung Ilmenberg zu laufen. Von der Straßenkreuzung bis zum Waldrand am Ilmenberg gibt es auf der Langen Rhön keinerlei Spuren des alten Weges. Die Bodenbeschaffenheit – dichte verwachsene Grasnarbe auf Basaltverwitterungsböden mit eingesprengtem Basalt – lassen solche erst wieder dort erkennen, wo sich der alte Weg zwischen Ilmenberg und Gangolfsberg zum Lehnberg senkt. Er kreuzte den heutigen Wanderweg über die Hangen – Leite. Danach verlor er an Höhe und zielte in der Fortsetzung seiner eingeschlagenen Richtung auf einen Sattel zwischen Ilmenberg und Gangolfsberg, den nördlichen Bereich des Waldortes Lehnberg. Etwa hundert Meter unterhalb des heutigen Waldrandes querte den Wegeverlauf etwa ab dem 15. Jahrhundert die alte Würzburger Landwehr, Hähl oder Höhl genannt.
Da sich hier kein Durchgang (Schlag) befand, kann man daraus schließen, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Landwehr der Weg mit dem nach Wüstensachsen zusammengefasst und durch den Schlag an der Thüringer Hütte geführt wurde. Deutlich sichtbare Wegerinnen queren den nordöstlichen Hang des Ilmenberges und ziehen zum ehemaligen Schlag bei der Thüringer Hütte. Auch im Bereich des Waldortes Lehnberg befinden sich einige unübersehbare, deutlich erkennbare tiefe Wegerinnenbündel.
Mit dem Erreichen der Osthänge der Langen Rhön tritt der Weg nun in das Gebiet des alten Grabfeldgaues ein. Die Landschaft, durch die er jetzt zieht, zählt zu den ältesten Siedlungsplätzen. Verbindungswege, die die einzelnen Siedlungen miteinander verbanden, sind hier wahrscheinlich und laufen deshalb sicherlich nicht nur auf den Höhen. Trotzdem lässt sich ein Wegezug ausmachen, der dem Grundsatz der Höhenwege „treu“ bleibt und bis zur Streu als Höhen- bzw. Kammweg führt. Die ersten Spuren vorzeitlicher – einer hallstattzeitlichen Siedlung – befinden sich bereits in rund 550 m Höhe in der Nähe des alten Hofes Wermers zwischen dem Gangolfsberg und der Rother Kuppe an einer Bergweide. Dieser Siedlungsplatz gehört zu den wenigen bisher entdeckten in gleichzeitiger Nähe zu Gräbern (30 Grabhügel).
Oberhalb (nördlich) der heutigen Wegekreuzung am nördlichen Rand des Waldortes Lehnberg quert der alte Weg den von der Thüringer Hütte kommenden Wanderweg und erreicht ca. 50 m östlich der Wegekreuzung einen Waldwirtschaftsweg. Hier hat sich der alte Weg gegabelt: Der rechte Zweig führte (und führt noch heute) auf den Gangolfsberg. Geradeaus setzt er sich, seine ab dem Ilmenberg eingeschlagene südöstliche Richtung strikt beibehaltend, zu der Wegespinne südlich des Schweinfurter Hauses streckenweise beeindruckend als tief eingeschnittener Hohlweg fort.
Der Gangolfsberg trägt eine vorgeschichtliche Wallanlage. In ihrem Inneren wurden hallstattzeitliche Scherben aufgelesen. Die Befestigungsanlage wurde im frühen Mittelalter erneut benutzt. An der Stelle des Schweinfurter Hauses befand sich früher der Hof Wermers. Er soll einst eine Benediktinerpropstei des Klosters Fulda gewesen sein.
Ab der Wegespinne südlich des Schweinfurter Hauses zog der weitere Weg in östliche Richtung zum Hundsrücken, vermutlich in 2 Bahnen. Eine führte zwischen Feld und Waldrand am nördlichen Hang des Hohen Rodkopf hinunter zur heutigen Straße nach Urspringen. Die Straße wird an der Stelle erreicht, an der sie für eine kurze Strecke nach Süden schwenkt.
Auch hier befinden sich im Zuge des aufgegebenen Weges bis zur Straße zahlreiche Beiwege und Wegerinnen.
An dieser Stelle ist auch eine Abzweigung denkbar, die an den hallsttzeitlichen Gräbern im Reutwald vorbei über das Gebiet von Sondheim v. d. Rhön zum Hundsrücken gezogen sein könnte. Noch im Gelände vorhandene Wegefragmente deuten darauf hin. Das Gebiet von Urspringen wurde etwa im Zuge der heutigen Kreisstraße erreicht. Oberhalb der Bahraquelle, also südöstlich der heutigen Kirche, führte der Weg weiter zum Hundsrücken und zog damit nur wenige hundert Meter südlich an einem vorzeitlichen Gräberfeld vorbei.
Anfang der 1990er Jahre wurde bei Bauarbeiten am Pfarrhaus von Urspringen eine Tonscherbe entdeckt, die sowohl aus der späten Latènezeit als auch aus der römischen Kaiserzeit stammen könnte. In der Nähe des Waldbehrunger Weges befindet sich ein Gräberfeld aus der Hallstattzeit, der Früh-Latènezeit sowie aus der Merowingerzeit.
Eine zweite zog südlich des Hohen Rodkopfes – hier sind ebenfalls starke und gut ausgeprägte Wegerinnen zu sehen – und führte vermutlich am nordöstlichen Hang des Heppberges entlang ca. 500 m südlich von Urspringen direkt zum Hundsrücken. Auf dem Hundsrücken geht es weiter bis zu der Stelle, an der die NES 34 (von Ostheim) in die NES 27 (von Sondheim nach Unterwaldbehrungen) einmündet. Hier hat man bei Straßenbauarbeiten eine künstliche Schlucht geschaffen, die den Verlauf des alten Weges rechtwinklig kreuzt, sodass der alte Wegezug nicht mehr zu erkennen ist.
2.5. Vom Hundsrücken durch das Heidelberggebiet
An der Stelle bzw. in der Nähe, wo die NES 34 (nach Ostheim) in die NES 27 (von Sondheim nach Unterwaldbehrungen) einmündet, hat sich der alte Weg in das Grabfeld gegabelt.
Hier befindet sich ein ehemals aus ungefähr 10 Hügeln bestehendes Gräberfeld aus der Hallstattzeit und der Latènezeit, das allerdings durch den Straßenbau und frühere Ausgrabungen stark zerstört ist. 1991 und 1992 wurden hier durch die Archäologische Arbeitsgruppe Rhön-Grabfeld (ARG) Grabungen durchgeführt.
Drei Wege ziehen nun in östlicher Richtung durch das Heidelberggebiet, das hier die Wasserscheide zwischen Streu und Elsbach bildet. Hin und wieder findet man noch die Spuren früherer Benutzung in Form von Wegerinnen und Beiwegen. Der mittlere Weg verläuft als Kammweg über die höchste Erhebung, den Heidelberg, und ist m.E. der älteste Wegezug, weil er früher die Grenze zwischen dem Amt Lichtenberg und seinen Nachbarn bildete (vgl. Löwe Fußnote 9). Er zielt ab dem Waldort „Klosterwald“ in seiner Fortsetzung sowohl in Richtung Mellrichstadt als auch Frickenhausen/Oberstreu. Der nördliche Weg könnte den Verlauf des heutigen Waldweges südlich am Ochsenberg vorbei zu dem frühzeitlichen Siedlungsschwerpunkt in der Umgebung des Kleinen Lindenberges und weiter zur Streu genommen haben. Der südliche Weg zieht auf dem breiten Hang oberhalb von Ober- und Unterwaldbehrungen vorbei an der mittelalterlichen Wüstung Gerlets in Richtung Frickenhausen und läuft nur wenige hundert Meter an den Ausgrabungen von 1999 vorbei.
Vom Heidelberggebiet ausgehend, sind nun drei Ziele anzunehmen:
- Nordöstlich des Kammes in Richtung Ostheim zur dortigen Furt durch die Streu. Jenseits der Furt dürfte sich der Weg in Richtung Thüringer Wald fortgesetzt haben.
Im Gebiet von Ostheim wurden Spuren aus beinahe allen Siedlungsperioden gefunden. Mindestens drei hallstattzeitliche und vermutlich eine latenezeitliche Siedlung befanden sich in der heutigen Gemarkung von Ostheim. Scherben aus der spätkeltischen Zeit, der Römischen Kaiserzeit, der Völkerwanderungszeit sowie aus der Merowingerzeit wurden im Stadtgebiet in der Nähe der alten Furt durch die Streu gemacht. - Nördlich und südöstlich des Gebirgskammes nach Mellrichstadt. Ein Weg dürfte Mellrichstadt und die Streu unterhalb der Einmündung des Mahlbaches erreicht haben, der andere durch das Ostheimer Tal zur Streu und weiter über den Galgenberg nach Norden gezogen sein.
Am Übergang über die Streu bei Mellrichstadt wurden noch 1997 bei Kanalbauarbeiten vorzeitliche Siedlungsspuren entdeckt und durch Notgrabungen gesichert bzw. ausgewertet. In der Gemarkung von Mellrichstadt wurden Siedlungsspuren aus fast allen Siedlungsperioden gefunden. U.a. aus der Hallstattzeit, der Römischen Kaiserzeit sowie der Merowingerzeit. - Südöstlich des Gebirgskammes ab einer Wegegabelung oberhalb (nördlich) von Oberwaldbehrungen in Richtung Frickenhausen zu der kleinen Hochebene oberhalb von Frickenhausen und Bastheim. Hier befinden sich Gräberfelder aus der Hallstattzeit und die Funde von 1999.
Von dort Zweige über Frickenhausen in Richtung Mittelstreu.
Auf dem durch einen Abschnittswall befestigten Eiersberg oberhalb von Mittelstreu wurden hallstattzeitliche Siedlungsspuren entdeckt.
Von Mittelstreu Fortsetzung in Richtung Gleichberge/Thüringer Wald bzw. Bad Königshofen i.G. und über Wechterswinkel/ Wollbach/Brend zur Streu beim heutigen Bad Neustadt (Pfalz Salz, Salzburg).
Innerhalb des Ringwalles auf dem Rehberg bei Wechterswinkel wurden Siedlungsspuren aus der Hallstattzeit gefunden. Auf dem Stadthügel von Bad Neustadt eine hallstattzeitliche Siedlung.
3. Fortsetzung des alten Weges östlich der Streu
Es muss davon ausgegangen werden, dass der alte Weg östlich der Streu nach Osten bzw. Südosten in mehreren Zweigen weiterführte:
- Über Unsleben/ Mittelstreu in Richtung Gleichberge bzw. in Richtung Bad Königshofen i.G. und weiter zum Haßberge/Rennweg.
- Über Mellrichstadt in Richtung Gleichberge/Thüringer Wald über Ostheim v.d. Rhön in Richtung Thüringer Wald
- Über Salz durch den Bildhäuser Forst zum Haßberge Rennweg
3.1. Die östlichen Fortsetzungen des alten Weges jenseits der Streu, von Mittelstreu und Mellrichstadt ausgehend
Der Verlauf der Fortsetzungen des alten Weges östlich und nordöstlich der Streu bedarf noch einer genaueren Untersuchung, insbesondere auf seine wahrscheinliche Fortsetzung über den Thüringer Wald. Er sollte daher einer weiteren Arbeit vorbehalten bleiben, die auch die Altstraßenforschung aus dem südthüringer Raum mit einbezieht.
Doch bereits jetzt kann für den Unslebener/Mittelstreuer Zweig festgehalten werden, dass sein vorzeitlicher Verlauf den Ausgangspunkt bei einer Furt durch die Streu bei Unsleben bzw. beim Hündleinsgraben oberhalb von Mittelstreu gehabt haben dürfte.
Am Eiersberg oberhalb von Mittelstreu finden sich u.a. Reste einer Befestigung aus der Merowingerzeit.
Von den beiden Stellen deuten sich alte Wege über den Kamm an, die in südwestlicher Richtung über die Höhe 343 bei Bahra und die Höhe 357 zwischen Bahra und Junkershausen zur „Alten Warte“ führen. Im Bereich zwischen Oberstreu und Alter Warte bilden sie streckenweise die Gemarkungsgrenze.
Im Bereich der „Alten Warte“, die heute nicht mehr vorhanden ist, könnte er sich in einen Zweig über Wargolshausen nach Königshofen/Rennweg und einen über Rappershausen/Rothausen zu den Gleichbergen aufgespalten haben.
3.2. Von der Streu über die Haßberge in den Bamberger Raum
Für die Fortsetzung des alten Weges von Salz weiter über die Haßberge nach Hallstadt (bei Bamberg) kommt für seine unmittelbare Fortsetzung nur die Strecke durch den Bildhäuser Forst infrage. Tatsächlich gibt es im Rahmen der Erforschung der Haßberge – Hochstraße deutliche Hinweise auf eine solche Verbindung. Sie führte von der Salzburg über den Dürrnhof, als Kammweg über den Kieshügel und durch Groß-Bardorf und den Streitrangen nach Sulzfeld, wo sie sich dem Haßberge-Rennweg anschloss.
Noch im Sommer 1796 wurde diese Verbindung von französischen und österreichischen Soldaten als Aufmarsch- bzw. Rückzugsweg genutzt. Im Bildhäuser Forst hatte man ein Lazarett aufgeschlagen. Gräber französicher Soldaten und ein Erinnerungsmal erinnern daran. Bereits in einer Chronik der Haßberge von Ernst Solger aus dem 1894 wird die alte Verbindung erwähnt: „Von Fulda führte bis Bamberg eine uralte Straße. Von Königshofen kommend erstieg sie bei der Wildburg die Bun und lief auf dem südöstlich der Baunach bleibenden Kamme derselben oberhalb Königsberg …“
Hermann Mauer hat sich bei der Erforschung der Haßberge – Hochstraße auch mit ihrer Fortsetzung über ihr westliches Ende bei Sulzfeld hinaus nach Westen, dem o.g. Teilstück, beschäftigt. Bereits vor seiner Arbeit gab es aus den 20er und 50er Jahren stammende Aufsätze über dieses Thema. Auch der Haßberge Verein brachte in seiner Zeitschrift „Die Haßberge“ 3/1976 eine Gemeinschaftsarbeit von K. Eisentraut und H. Mauer dazu.
H.P. Schäfer, der der Theorie der Hochstraßen eher skeptisch gegenüberstand, hielt „Mauers Annahme, wonach die Haßberge Hochstraße um 1000 n.Chr. ziemlich sicher benutzt worden sei, für gar nicht so abwegig“. Mauer ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch schon vor dem Jahre 1000 ein Verkehrsbedürfnis zwischen dem Mündungsgebiet der Regnitz und dem Mittellauf der Saale einerseits sowie aber auch wegen der zahlreichen Besitzungen des Klosters Fulda am oberen Main mit dem Raum Fulda bestand. Er schließt daraus m.E. zu Recht auf einen durchgehenden Verkehrsweg aus dem Raum Fulda in den Bamberger Raum zu karolingischen Zeiten.
Ob die Wegstrecken auch schon in vorgeschichtlicher Zeit begangen wurden, kann heute nicht mehr sicher nachvollzogen werden. Mauer hält die Haßberge – Hochstraße auch schon für im vorgeschichtlichen Jahrtausend für existent und führt dafür zunächst das Prinzip der Kontinuität an, das seiner Meinung nach auch im Bereich der Altstraßenforschung Gültigkeit hat. Damit steht er durchaus im Einklang mit dem Grundsatz der Altstraßenforschung, wonach „zu allen Zeiten stets dieselben von der Natur vorgezeichneten Höhenwege entlang den Wasserscheiden benutzt werden.“ Im bislang jüngsten Aufsatz zu diesem Thema, in der Haßberge Vereinszeitschrift, führen Eisentraut und Mauer einige Belege für das vorgeschichtliche Alter der Straße an, wie sie heute im Allgemeinen für den Verlauf solcher Straße anerkannt sind:
- eine Viereckschanze über Eichelsdorf aus der Urnenfelderzeit,
- die vorgeschichtliche Fliehburg auf dem Judenhügel bei Klein-Bardorf,
- Hügelgräber im Verlaufe der Straße.
Für die (Verbindungs-) Strecke zwischen der Salzburg und Sulzfeld gibt es ebenfalls solche Indizien. So befinden sich am „Kieshügel“ in der Nähe des Weges, etwa auf halbem Wege zwischen der Salzburg und Groß-Bardorf, einige Hügelgräber und am Übergang der Haßberge in den Bildhäuser Forst in der Gemarkung von Groß-Bardorf wurden Bodenfunde gemacht, die auf eine Besiedelung der Gegend schon seit der Jungsteinzeit (Bandkeramiker) hinweisen. Allerdings sind solche Funde hier keine Seltenheit und lassen natürlich auch den Schluss auf die frühe Besiedelung zu. Trotzdem erscheint eine solche Verbindung auch zu dieser Zeit geradezu zwingend.
Dass die Verbindung von Bamberg nach Fulda noch bis ins 19.Jh. eine Verkehrsbedeutung hatte und diese Strecke als (Neben-) Fernverbindungsweg genutzt wurde, lässt sich aus zwei Beispielen ersehen:
Bei einer Wanderung in den 20er Jahren von Bamberg über Hallstatt nach Bischofsheim wurde eine topografische Karte aus dem Jahre 1852 benutzt, in der der „Haßberge – Rennweg“ als „Hochstraße von Bischofsheim nach Bamberg“ bezeichnet wurde.
Im Sommer 1796 wurde diese Verbindung von französischen und österreichischen Soldaten genutzt.
4. Einflüsse auf mögliche Wegeverlegungen im Laufe der Jahrhunderte
Der Lauf alter Wege änderte sich oft über hunderte von Jahren überhaupt nicht. Erst wenn ein Anlass, ein Bedarf, vorhanden war, wurden neue Wege eingeschlagen oder vorhandene stärker frequentiert. Dies war in der Regel dann der Fall, wenn Siedlungsschwerpunkte sich verlagerten, die Machtverhältnisse sich änderten oder wenn neue Verkehrsmittel es verlangten. Die Hohe Rhön war immer schwach und zeitweise überhaupt nicht besiedelt. Hier hat sich der Lauf der Wegezüge über viele Jahrhunderte kaum verändert, hier sind, auch aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit, ohne Straßenbautechnik kaum andere Streckenführungen denkbar, legt man die oben beschriebenen Grundsätze zugrunde. Die wichtigsten Einflüsse im Laufe der Jahrhunderte waren sicherlich:
- Die politischen Veränderungen in der fränkischen Zeit
- Die Aufgabe der Siedlungen im Bereich der Hohen Rhön. An den „Hauptübergängen“ über die Rhön befanden sich im frühen Mittelalter Dörfer und Burgen, die vermutlich im Zusammenhang mit den großen Bevölkerungsverlusten während des Dreißigjährigen Krieges aufgegeben wurden. Die Bewohner von Ortschaften in ungünstigen Lagen, wie z.B. dem Dorf Rotenmohr, das in der Nähe des Ortesweges am Roten Moor lag, zogen in die Täler, wo Höfe verweist waren. Auch die Dörfer Lanzig und Lahr (auch Nanzig und Lohr), die an dem Weg über den Maihügel nach Oberelsbach lagen, das Dorf Altenfeld, das unterhalb der Verbindungsstraße von der Rother Kuppe zur Thüringer Hütte, vermutlich an einem Verbindungsweg von Stetten/Sondheim über die Hochrhön ins Ulstertal lag, das Dorf „Dietzenwinden“ auf der Langen Rhön, das am Weg von Stetten über die Hildenburg ins Ulstertal lag, dürften in dieser Zeit wüst geworden sein. An den Übergängen lagen auch die Hildenburg und die Wernfriedsburg auf dem Gangolfsberg.
- Die „Höhl“, durch die der Übergang über die Rhön auf vier Wege zwischen Heidelstein und Frankenheim beschränkt wurde.
Erst in neuerer Zeit wurden durch die fortgeschrittene Straßenbautechnik andere Übergänge über die Hochrhön geschaffen. Die heutigen drei Übergänge lehnen sich jedoch auch an Teilstrecken zuvor bereits vorhandener Wege an. Die Hochrhön wird heute von der Hochrhönstraße dominiert, die ebenfalls auf Teilstrecken der alten Wege mit neuen Verbindungen gebaut wurde. Sie gehörte zum „Hellmuth-Plan“ und wurde in den 30er Jahren konzipiert. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass auch bei der Umsetzung dieses Planes oder durch späteren landwirtschaftlichen Wegebau geringe Veränderungen des Wegenetzes der Hochrhön erfolgten.
5. Abschließende Bemerkungen
Mit der vorliegenden Arbeit dürften nun der Verlauf des vorzeitlichen und frühfränkischen Ortesweges und die daraus resultierende damalige Verkehrsbedeutung hinreichend deutlich geworden sein. Die Weiterführung bzw. Zielrichtung jenseits von Streu und Fränkischer Saale nach Osten untermauert die vorangestellte These von Heinrich Hahn. Für den vorzeitlichen und frühfränkischen Verkehr hatte der Höhenzug zwischen Streu und Elsbach – das Heidelberggebiet – wie kein zweiter die Funktion, den Verkehr zu verteilen:
- nach Südosten über die Pfalz Salz und den Haßberge-Rennweg in Richtung Hallstadt-Bamberg,
- nach Osten über Oberstreu in Richtung Gleichberge (Steinsburg) oder Königshofen im Grabfeld
- nach Nordosten über Ostheim in Richtung Thüringer Wald
- nach Nordosten über Mellrichstadt in Richtung Gleichberge (Steinsburg) und Thüringer Wald
Diese Verteilerfunktion wurde durch den Aufstieg des Siedlungsschwerpunktes um die Pfalz Salz und den Verlust der Bedeutung alter Siedlungsschwerpunkte im östlichen Grabfeldgau unbedeutend. Die Pfalz Salz wurde zum neuen Mittelpunkt und zog damit den Verkehr an sich. Vermutlich zwischen dem 8. und 10. Jh. hatte sich für die Reise von Fulda nach Salz eine für die damalige Zeit günstigere Streckenführung als die des alten Ortesweges durchgesetzt, wahrscheinlich die über die „Himmeldunke“ zum Tal der Brend.
Für die Bedeutung der Pfalz Salz war neben der Lage am Schnittpunkt alter Wege sicher auch entscheidend, dass hier, an der Mündung der Brend, die einen nicht geringen Teil des Saalewassers bringt, wohl die Schiffbarkeit der Saale zu Ende war. Die Pfalz lag vermutlich an oder in der Nähe einer Furt durch die Saale, die von den beiden wichtigen Wege benutzt werden musste: hier kreuzte der Ost-West gerichtete Verkehr und auch der Weg vom Maindreieck nach Norden über Mellrichstadt in Richtung Thüringer Wald musste hier die Saale queren, weil er unter Umgehung einer Schleife der Saale über den „Alten Berg“ direkt nach Unsleben führte.
6. Zusammenstellung der vor- und frühgeschichtlichen Anlagen in der Nähe des Wegezuges
- Im Bereich der Nippelskuppe Hügelgräber
- am Steinhauck Hügelgräber
- Milseburg Ringwallanlage
- Gangolffsberg bei Oberelsbach Ringwallanlage mit hallstattzeitlichen Siedlungsresten und Resten einer Burg aus vorfränkischer bzw. früher fränkischer Zeit (Wernfriedsburg)
- zwischen Gangolfsberg und Rother Kuppe Siedlung und Gräber aus der Hallstattzeit
- im Reutwald bei Sondheim v.d. Rhön Gräber aus der Hallstattzeit
- am Waldbehrunger Weg bei Urspringen Gräber aus der Hallstattzeit, der Früh-Latènezeit und der Merowingerzeit
- auf dem Hundsrücken oberhalb von Sondheim Gräber aus der Hallstattzeit und der Latènezeit
- in Ostheim Siedlungsspuren aus beinahe allen Siedlungsperioden, insbesondere aus der Hallstatt- und der Latènezeit, der Römischen Kaiserzeit und der Merowingerzeit
- Am Übergang über die Streu bei Mellrichstadt Funde aus mehreren Siedlungsperioden, u.a. aus der Römischen Kaiserzeit und der Merowingerzeit
- im Heidelberggebiet oberhalb von Oberwaldbehrungen Gräber aus der Hallstattzeit
- oberhalb von Bastheim zwei Gräberfelder aus der Hallstattzeit
- auf dem Rehberg bei Wechterswinkel Reste einer Ringwallanlage mit Siedlungsspuren aus der Hallstattzeit und einer Burg aus der Merowingerzeit
- auf dem Stadthügel von Bad Neustadt Spuren einer hallstattzeitlichen Siedlung
- auf dem Eiersberg bei Heustreu Ringwallanlage mit hallstattzeitlichen Siedlungsspuren und Spuren einer Befestigung aus der Merowingerzeit
- bei Wollbach latènezeitliche Siedlung
- am Kieshügel im Bildhäuser Forst vorzeitliche Grabhügel
- bei Groß-Bardorf Siedlungsspuren aus mehreren Perioden
- auf dem Judenhügel oberhalb von Klein-Bardorf Viereckschanze
- oberhalb von Hofheim Viereckschanze
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Wendehorst, Alfred
Das Bistum Würzburg Teil 1 , die Bischofsreihe bis 1254. In: Germania Sacra Bd. 1 Berlin 1962
* Die Zitate von Funk, Hofmann, Jäger, Mensching, Schmale, Stein und Wendehorst wurden der Arbeit von Hans-Peter Schäfer „Die Entwicklung des Straßennetzes im Raum Schweinfurt bis zur Mitte des 19.Jahrhundert“ entnommen.